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Die Lager der Jugend

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Marschall Pétain bei der Abnahme einer Parade von Chefs der Lager der Jugend. Quelle: Spezielle Sammlung.
Marschall Pétain bei der Abnahme einer Parade von Chefs der Lager der Jugend. Quelle: Spezielle Sammlung.
Corps 1

In Folge des Waffenstillstandabkommens, das am 25. Juni in Kraft trat, werden nahezu 100.000 junge Menschen, die zuvor rekrutiert worden waren, aus der Armee entlassen und sich selbst überlassen. Am 31. Juli 1940 erlässt die Vichy-Regierung die Verordnung zum Bau von Lagern für die Jugend: “Artikel 1: Die zwischen dem 8. und 9. Juni 1940 verpflichteten Jugendlichen werden durch den vorliegenden Beschluss von sämtlichen militärischen Aktivitäten entbunden. Artikel 2: Mit sofortiger Wirkung werden sie stattdessen für einen Zeitraum von sechs Monaten in Jugendeinrichtungen untergebracht und unterstehen somit dem Verantwortungsbereich des Ministeriums für die Jugend und Familie.” General de La Porte du Theil, ehemaliger Gruppenführer, wird mit der Umsetzung dieses neuen Beschlusses betraut.

General de la Porte Du Theil, Verantwortlicher für die Lager der Jugend (A. D. Allier, 69 J 130, Hintergrund Crépin Leblond). Quelle: A. D. Allier

De la Porte du Theil gibt sich jedoch nicht damit zufrieden, die jungen Menschen zu beherbergen und zu betreuen. Vielmehr bindet er sie erneut in den Dienst für Frankreich unter den Bedingungen von Marschall Pétain ein. Überzeugt von der wichtigen Kraft der fähigen jungen Menschen, sollen diese zusammengehalten und ausgebildet werden, um dem neuen Regime eine solide Basis zu sichern. Die eigentliche Idee des Lehrens in den Lagern wird im Rahmen der nationalen Revolutionsbewegung schnell aufgegeben: Ausbildung unter Wahrung der traditionellen Werte, Wertschätzung von manueller Arbeit, ohne die geistigen Aktivitäten und den Körper zu vernachlässigen.

Plakat der Lager der Jugend, 1941. Gezeichnet von Eric CASTEL, bearbeitet vom Staatssekretariat. (A. D. Allier, Fi, nicht notiert, bewegliches Gut 16). Quelle: A. D. Allier

In den neu errichteten 52 Lagern werden zwischen 1.500 und 2.200 Jugendliche untergebracht, deren Tag mit dem feierlichen Hissen der Fahne beginnt.

Hissen der Fahne in einem Lager der Jugend (A. D. Allier, 69 J 134, Hintergrund Crépin Leblond). Quelle: A. D. Allier

Der Tag wird in zwei Abschnitte unterteilt: Arbeit im Lager und körperliche technische Ausbildung. Die Arbeit soll prioritär einen bildenden Charakter haben. Die Jugendlichen sollen auf allgemeine Art und Weise lernen, ihrem Land zu dienen, ohne sich über die Ertragsfähigkeit Gedanken zu machen: Bereitstellung von Brennholz, Holzkohle, Bau von Straßen und Wegen, Mithilfe bei Holz- und Schienenarbeiten, Maurerarbeiten usw. Es herrscht militärische Disziplin und der Ausgang in die verlockende Stadt ist nur sehr begrenzt erlaubt.

Erdarbeiten in einem Lager der Jugend (A. D. Allier, 69 J 93, Hintergrund Crépin Leblond). Quelle: A. D. Allier

Corps 2

Für die jungen Menschen im Lager ist es wichtig, eine Führungsperson zu haben. Diese “Chefs” werden in den Anwärterschulen ausgewählt. Dieses Auswahlverfahren hat einen paramilitärischen Charakter, der auch bis in die Lager spürbar wird. Es folgt die Gründung einer Schule für Führungskräfte, die im Château de Bayard in Uriage errichtet wird.

Château d'Uriage mit der Schule für Nachwuchsführungskräfte Anfang 1941. Quelle: Licence Creative Commons

Uriage verfolgt zwei Ziele: Einerseits die Absplittung vom Militär, indem die mit dem Feind kooperierende Regierung versucht, eine gewisse Ordnung zu erhalten und neue Kampfhandlungen der Armee zu verhindern. Somit haben diese Jugendlager, allen voran Uriage, die Aufgabe, sich um die vom Militär entlassenen jungen Menschen zu kümmern. Andererseits dient die Schule zum Ausbilden von Führungskräften.

Ausschlaggebend für die Auswahl der Chefs sind ihre bisherigen Verdienste sowie ihre Treue gegenüber dem Marschall und der Kommandozentrale. Ihr oberstes Ziel ist es, die entlassenen Soldaten zu Pazifisten zu erziehen. Es wird im Gleichschritt marschiert, es wird Uniform getragen, es werden jedoch keine Waffen eingesetzt. Dieser “nationale Hilfsdienst der Jugend” soll den jungen Menschen helfen zu überleben und sie ins System einzubinden. Gleichzeitig sollen sie dadurch daran gehindert werden, sich mit Waffengewalt gegen die Besatzungsmacht zu erheben.

Die Lager werden im Jahr 1943 auf Befehl der Deutschen geschlossen und die Mehrheit der jungen Menschen schließen sich daraufhin dem Widerstand an.

Den Deutschen war die Ausbildung dieser jungen Männer hinter verschlossenen Türen ein Dorn im Auge. Ihnen war mehr daran gelegen, die Aktivitäten der Jugend strengstens zu überwachen, woraufhin die weitere Ausbildung in den Lagern innerhalb der Besatzungszone untersagt wurde.

Im Januar 1941 wird der Aufenthalt in den Lagern für alle 20-jährigen Männer Pflicht und sie müssen dort acht Monate verbringen.

Nach der Landung der britisch-amerikanischen Truppen am 8. November 1942 in Nordafrika stellt der regional zuständige Kommissar Van Hecke die neue französische Armee zur Disposition, die zu diesem Zeitpunkt in Tunesien gegen Deutschland kämpft. In ihren Reihen befinden sich 40.000 junge Männer aus den AFN-Lagern. Van Hecke übernimmt das Kommando über das 7. Jagdregiment Afrikas, das erst erfolgreich in Italien kämpfte und dann 1944 während der Befreiung Frankreichs und 1945 in Deutschland erfolgreich im Einsatz war.

Nach der Invasion der freien Zone am 11. November durch die Deutschen wächst das Misstrauen der Besatzungsmacht. Anfang 1943 löst Pierre Laval im Dienst der deutschen Behörde für Zwangsarbeit einen verhängnisvollen Schlag gegen die Lager aus, die mittlerweile als wichtige Ressource an Arbeitskräften galten. La Porte du Theil, der sich weigert, die Jungen zum Mitwirken in den Widerstandsgruppen zu zwingen, versucht vergeblich, den Transport Tausender von Franzosen nach Deutschland zu verhindern. Er wird jedoch entlassen, gefangen genommen und nach Deutschland deportiert. Am 19. Januar werden die Lager der Befehlsgewalt des Arbeitsministeriums unterstellt. Der Widerstand gegen die STO jedoch erhärtet sich und zahlreiche junge Menschen laufen zu den Widerstandsgruppen über.

Ihr unerschütterlichem Gehorsam gegenüber Marschall Pétain führt dazu, dass die in den Lagern beherbergten jungen Menschen sich im Januar 1943 vermehrt dem französischen Widerstand zuwenden. Viele dieser jungen Männer waren bereits in Glières oder Vercors bei der FFI im Kampfeinsatz. Sie treten anschließend der 1. Armee Frankreichs unter General de Lattre de Tassigny bei, in der auch bereits die anderen jungen Männer aus den AFN-Lagern im Einsatz waren.