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Zahlreiche Juden wurden während der Besatzung von den Einwohnern von Chambon-sur-Lignon und den benachbarten Dörfern gerettet. Dies ist ein Beispiel für den in diesem Ausmaß einzigartigen und geistlichen Widerstand, für die der Gemeinde und der Region im Jahr 1990 eine ehrenhafte Auszeichnung durch die Gedenkstätte Yad Vashem zugeteilt wurde.

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Chambon-sur-Lignon und das Umland befindet sich in der Region Haute-Loire auf einer Anhöhe von 1.000 m. Die Einwohner sind mehrheitlich Protestanten und bereits seit den 1900 Jahren war diese Region aufgrund der guten Luft bei Touristen und Kindern sehr beliebt. Chambon ist ein familienfreundlicher Ort und bietet viele Familienunterkünfte und Kinderangebote. Bereits im Juni 1940 prangern die Pastoren von Chambon, André Trocmé und Édouard Théis den Waffenstillstand und die Internierung von ausländischen Juden an, während Pastor Charles Guillon, Bürgermeister der Gemeinde, von seinem Amt zurücktritt. Keinesfalls möchte er ein Bürgermeister unter der Vichy-Regierung sein und er widmet fortan seine Kraft der Unterstützung von Flüchtlingen. Dank seiner Kontakte zu den internationalen Organisationen in Genf, wo er Generalsekretär der Christlichen Jungen Union ist, bekommt er die notwendigen Gelder für die Finanzierung von Unterkünften in Chambon. Ab 1941 unterstützen diese Pastoren, gemeinsam mit Hilfsorganisationen und der Genehmigung der Präfektur, die Errichtung von Unterkünften in Chambon, um die Internierten aus der südlichen Zone (Kinder, Jugendliche und Studenten, Mütter und alte Menschen, ausländische Juden, Nazigegner und spanische Republikaner) sowie hilflose Kinder unterzubringen. Hierzu zählten auch Juden, die von den Hilfsorganisationen aus den Konzentrationslagern befreit werden konnten.

Im Sommer 1942 fanden jedoch in der südlichen Zone Razzien statt und die "Unterkünfte für Überlebende", in denen zahlreiche ausländische Juden untergebracht waren, wurden entdeckt. In den nahegelegenen Dörfern boten einzeln stehende Bauernhöfe Möglichkeiten, die Flüchtlinge unterzubringen. Pastoren, Lehrer, Sekretäre des Bürgermeisteramts, Polizisten, Bauern, Ärzte, Hotel- und Pensionsbesitzer aller Konfessionen arbeiteten Hand in Hand, um möglichst viele Menschen zu retten. Dieser zivile und geistliche Widerstand wurde immer mehr zur Untergrundbewegung. Die Flüchtlinge wurden mit falschen Papieren ausgestattet und die Schwächsten in die Schweiz eingeschleust. Diese Hilfe sprach sich in Windeseile herum und so wurde die Hochebene zum Dreh- und Angelpunkt für Flüchtlinge. Heute kann nicht mehr genau bestimmt werden, wie viele Menschen dort verweilten und gerettet wurden, aber es waren mindestens mehrere Tausend.

Im August 1944 wird das Gebiet befreit. Die Flüchtlinge verlassen die Ebene, die am Widerstand beteiligten jungen Leute übernehmen zivile Aufgaben oder treten der Befreiungsarmee bei. In den Kinderhäusern fanden bestimmte ihre Eltern oder Familien wieder. Die Waisen wurden von den Hilfsorganisationen betreut. Die Geschichte von Chambon, wie auch die von Shoah, wird noch lange in ihrem Gedächtnis bleiben. Erst Ende der 70er-Jahre wird das Ausmaß dieser Rettungsaktionen einer Gruppe ehemaliger Flüchtlinge bewusst, als in Frankreich der Prozess des Gedenkens beginnt und Informationen über den Völkermord an den Juden der breiten Öffentlichkeit zugänglich werden. Gegenüber dem Tempel wird am 17. Juni 1979 eine Gedenktafel angebracht. Sie markiert den Beginn des Gedenkens in Chambon und erinnert an die ehemaligen Flüchtlinge und die Einwohner, die häufig das Ausmaß der Aktionen erkannt und sich am Widerstand beteiligt haben.

In Frankreich wurden die auf der Hochebene tätigen Personen als eine der Ersten mit der Medaille "Gerechte der Nationen" ausgezeichnet. Im Komitee Frankreich entsteht die Idee einer Sammelauszeichnung, das Institut Yad Vashem kann jedoch die Einzelpersonen nicht unterscheiden: der Titel wird verliehen an nicht-jüdische Menschen, die unter Einsatz des eigenen Lebens Juden geholfen haben, den NS-Besatzern zu entkommen. 1990 vergibt Yad Vashem in einer einmaligen Aktion eine Auszeichnung an "die Einwohner von Chambon-sur-Lignon und den benachbarten Gemeinden, die während der Besatzung Juden Unterschlupf geboten und sie vor der Deportation und dem Tod gerettet haben". Diese Auszeichnung wurde ausschließlich an diese Gemeinden in Frankreich verliehen.

Im Juni 2013 wurde in Le Chambon-sur-Lignon eine Gedenkstätte eröffnet (weitere Informationen unter www.memoireduchambon.com). Hier wird diese außergewöhnliche und beispielhafte Geschichte dargestellt, ein einmaliger Ort in Europa, der der Geschichte der Juden und der verschiedenen Formen des Widerstands im Zweiten Weltkrieg gewidmet ist.


Auteur
Aziza Gril-Mariotte - Verantwortliche Leiterin des Museums in der Gedenkstätte Chambon-sur-Lignon

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