Die Demarkationslinie (1940-1944)

Nach dem Zusammenbruch der französischen Armee im Juni 1940 findet sich die neue Regierung unter Marschall Pétain mit der Niederlage ab und bittet am 17. Juni 1940 um einen Waffenstillstand, während General de Gaulle nach England geht und am 18. Juni aus London zur Fortsetzung des Kampfes gegen die Nazibesatzung aufruft. Der am 22. Juni 1940 in Rethondes geschlossene französisch-deutsche Waffenstillstand sieht die Zerschneidung Frankreichs in mehrere getrennte Zonen durch eine Demarkationslinie vor.

I - Die Zerschneidung Frankreichs nach dem Waffenstillstand vom 22. Juni 1940 Seit dem 25. Juni 1940 zerschneidet die Demarkationslinie Frankreich in zwei Hauptzonen:
Die besetzte Zone (oder "die Nordzone") Diese von den Deutschen besetzte Zone steht unter dem Befehl des Militärgouverneurs von Paris und umfasst ungefähr 55% des Territoriums. Sie wird im November 1942 in Nordzone umbenannt, als die Deutschen auch die freie Zone besetzen.
Die freie Zone (oder "die Südzone") Am 2. Juli 1940 richtet sich die französische Regierung in Vichy ein, das in gewisser Weise zur "Hauptstadt" der freien Zone wird, die im Volksmund auch als "Nono - Zone" bezeichnet wird (nono für "non occupée", nicht besetzt). Am 10. Juli 1940 gibt das Parlament Marschall Pétain volle Machtbefugnisse. Er verkündet den "französischen Staat" und beginnt wenig später mit einer Politik der Kollaboration mit dem Nazi - Besetzer. Im November 1942 wird die freie Zone in "Südzone" umgetauft, als sie von den Deutschen besetzt wird.
Die etwa 1200 Kilometer lange Demarkationslinie beginnt an der spanischen Grenze bei der Gemeinde Arnéguy im Departement Basses-Pyrénées (Pyrénées-Atlantiques), führt dann über Mont-de-Marsan, Libourne, Confolens und Loches und geht hinauf bis in den Norden des Departements Indre, wo sie nach Osten abbiegt und nach der Durchquerung von Vierzon, Saint-Amand-Montrond, Moulins, Charolles und Dole bei Gex an der Schweizer Grenze ankommt. Im Übrigen stattet der deutsche Besetzer bestimmte französische Territorien mit einem Sonderstatus aus und schneidet sie fast völlig von dem Rest Frankreichs ab:
Elsass und Lothringen Im August 1940 werden Elsass und Lothringen, die faktisch von Nazi - Deutschland annektiert worden sind, verwaltungsmäßig einem Gau angeschlossen (verwaltungsmäßiger Bereich in der nationalsozialistischen Organisation), das eine an den Gau Baden und das andere an den Gau Saar - Pfalz.
Nord und Pas-de-Calais Diese beiden sehr industrialisierten Departements mit vielen Bergbaugebieten werden dem Militärbefehlshaber von Holland und Belgien unterstellt; sie werden durch die Somme - Linie vom Rest Frankreichs abgeschnitten.
Von der Mündung der Somme zur Rhône Diese Zone, die sich von der Mündung der Somme bis zur Rhône erstreckt, wo diese den Genfer See verlässt, wird von den Deutschen als "reservierte Zone" bezeichnet, allgemein aber von den Franzosen "verbotene Zone" genannt, denn sie können nur mit Schwierigkeiten in dieses Gebiet gelangen. An den Enden gibt es verstärkte Kontrollen, entlang der Kanalküste und entlang der französisch-schweizerischen Grenze.
Die italienisch "besetzte Zone" Diese Zone erstreckt sich vom Genfer See bis zum Mittelmeer. Sie führt östlich von Chambéry, Grenoble und Gap entlang bis Nizza, das sie einschließt. Allerdings besetzen die Italiener tatsächlich nur einige Punkte des Territoriums.
Der "Atlantikwall" Im Herbst 1941 wird entlang der Kanal- und der Atlantikküste eine neue verbotene Zone gebildet, ein Vorgeschmack auf den Bau des Atlantikwalls. Nur Personen, die hier seit mindestens drei Monaten wohnen, das Personal der zivilen Behörden, das für die deutsche Armee arbeitet und das fahrende Personal der Eisenbahn können diese Zone betreten und sich in ihr bewegen. Darüber hinaus ist es verboten zu telegrafieren oder zu telefonieren. Mit der Zerschneidung des Territoriums nach dem Waffenstillstand hat sich die deutsche Besatzung die hauptsächlichen Industriegebiete und die gesamte Atlantikküste gesichert.
II - Behinderung des Verkehrs bis 1944
Nach dem Waffenstillstand vom 22. Juni 1940 führen die Deutschen schnell eine Reihe von Maßnahmen ein, um den Personen- und Warenverkehr auf dem Territorium zu beschränken, wie auch den Postverkehr zwischen den beiden großen Zonen. Durch das "Öffnen" oder "Schließen" der Demarkationslinie je nach Wunsch und Erfordernissen hat der Nazi - Besetzer jetzt ein Druckmittel gegen die Franzosen in der Hand und sichert sich die Beherrschung des Landes und seiner Wirtschaft.

Die Interzonen - Karte und der Passierschein
Bis September 1940 gibt es keinerlei Post von einer Zone in die andere. Zu diesem Zeitpunkt kommt die Interzonen - Karte auf, die auch als Familienkarte bezeichnet wird. Sie enthält eine Reihe von vorgedruckten Formeln und dient nur zu kurzen und unpersönlichen Mitteilungen, ohne die Möglichkeit, weiteren Text hinzuzufügen. Deshalb beginnen die ersten geheimen Grenzübertritte, um Briefe und Päckchen zu übermitteln.

Abgesehen von ihren hauptsächlichen Übergängen auf der Straße oder mit der Bahn kann man die Linie nicht systematisch konkretisieren. Je nach Art des Terrains gibt es von Zeit zu Zeit Pfosten in den deutschen Farben. Schilderhäuschen und Schranken sind an den Übergängen eingerichtet und durch Schilder angezeigt. Auf französischer Seite gibt es ähnliche Anlagen, wenn auch sehr viel lückenhafter auf Grund der fehlenden Mittel und Menschen.

Die Besatzungsbehörden üben eine strenge Kontrolle der Demarkationslinie aus. Sie darf nur mit Genehmigung an den offiziellen Übergängen überschritten werden, unter Vorlage eines Personalausweises oder eines Ausweises (Passierschein), der von den Kommandanturen (Büros der deutschen Behörden, die mit der militärischen oder zivilen Verwaltung einer bestimmten Zone des Territoriums beauftragt sind) ausgestellt wird. Jeder Antrag erfordert eine vollständige Akte, die den deutschen Behörden zu übergeben ist, mit Fotos, Wohnsitzbescheinigung, Begründung des Antrags... Passierscheine werden nur in Notfällen ausgestellt (Geburten, Beerdigungen oder schwere Erkrankungen naher Verwandte), und die Antragsteller sind langwierigen Verfahren und vielen Schikanen der Behörden ausgesetzt. Personen, die in einem Streifen von 10 Kilometern zu beiden Seiten der Linie leben, können einen "Ausweis für den kleinen Grenzverkehr" beantragen, der ihnen für eine bestimmte Zeit die Bewegungsfreiheit in ihrem in zwei Teile geschnittenen Departement ermöglicht. Die Ausstellung dieser Passierscheine obliegt den Feldkommandanturen und den örtlichen Kreiskommandanturen.

Die Flüchtlinge und die Demarkationslinie
Im Mai-Juni 1940 führt das Vorrücken der deutschen Truppen zu einem Exodus von mehreren Millionen Menschen, die auf den Straßen flüchten. Nach dem Waffenstillstand vom 22. Juni 1940 wollen sie nach Hause zurückkehren. Die Rückkehr der Flüchtlinge nach Hause wird während eines Jahres, vom Sommer 1940 bis zum Sommer 1941, organisiert. Die Deutschen genehmigen die Öffnung von Übergängen, während die Waffenstillstandsarmee Etappenlager einrichtet. Ab Herbst 1940 werden die Bedingungen für die Rückkehr schwieriger.

Die Deutschen ersetzen den Passierschein durch die Repatriierungsbescheinigung, und ab Anfang 1941gibt es nur noch vier Übergänge: in Langon (Gironde), in Vierzon (Cher), in Moulins (Allier) und in Chalon-sur-Saône (Saône-et-Loire). Im Sommer 1941 werden Maßnahmen zur Erleichterung der Familienzusammenführung für die Flüchtlinge ergriffen, die in der Südzone bleiben wollen. Auf der anderen Seite werden restriktive Maßnahmen hinsichtlich der Ausländer und Juden eingeführt, für die sich die Vorschriften immer mehr verschärfen. Ab September 1940 dürfen sie nicht mehr in die Nordzone zurückkehren. Im Oktober 1940 wird der Passierschein obligatorisch für Ausländer, die in die Südzone wollen, und ab dem 23. Oktober 1941 ist die Demarkationslinie für sie geschlossen.
Die illegalen Überschreitungen
Von Anfang an wird die Linie häufig illegal überschritten, meistens aus geschäftlichen oder privaten Gründen. Dann werden die Überquerungen immer mehr um Netze organisiert, die zu dem Zweck gebildet werden, französische Kriegsgefangene und entflohene Engländer oder Elsässer und Lothringer, die nicht in der deutschen Armee dienen wollen, Freiwillige, die sich dem Freien Frankreich anschließen wollen oder andere Personen, die sich bedroht fühlen, in die "freie" Zone zu schleusen. Jetzt werden die Kontrollen häufiger und strenger, insbesondere ab Frühjahr 1941, als die Soldaten der Wehrmacht an die Stelle der Zöllner treten.

Während es vor 1941 nur wenige Verhaftungen gegeben hatte, gibt es seit diesem Jahr immer mehr Kontrollen, und Verfolgungen und Schüsse bis in die nicht besetzte Zone sind keine Seltenheit mehr. Seit dem Sommer 1940 bilden Anlieger der Demarkationslinie Ketten zum Überqueren der Linie zu Fuß, mit dem Fahrrad, in Booten, in Mistkarren, Tonnen...mit allen Mitteln, die man sich vorstellen kann. Die geheimen Passagen werden zunächst von einzelnen Fluchthelfern organisiert, bevor sie von richtigen Organisationen übernommen werden.

Viele Männer und Frauen engagieren sich privat bei diesen Aktionen, bevor sich die meisten von ihnen Fluchthelferketten anschließen, entweder um einfach zu helfen, weil ihnen der Gedanke an eine Grenze unerträglich ist, oder aus Opposition gegen ein schweres Joch. Man sammelt Geld, Zivilkleidung und Lebensmittel, mit denen man die Flüchtlinge vor ihrer Abfahrt ausstattet. Gruppen bilden sich, wie z.B. die Eisenbahner, Polizisten oder Gendarmen. Bei einigen spielt allerdings auch die Geldgier eine Rolle, und sie zögern nicht, sich ihre Dienste bezahlen zu lassen, wenn sie nicht sogar ihre Flüchtlinge ganz einfach im Stich lassen oder den deutschen oder französischen Behörden ausliefern.
Die wirtschaftlichen Folgen der Demarkationslinie
Die Demarkationslinie bringt ein Ungleichgewicht zwischen dem Norden und dem Süden des Territoriums mit sich. Die Deutschen haben sich die reichsten landwirtschaftlichen und industriellen Gebiete vorbehalten: die besetzte Zone produziert 72,5 % des Getreides, 78 % der Gerste, 80 % des Hafers, 70 % der Kartoffeln, 87 % der Butter, 95 % des Stahls, 76 % der Kohle.

Wegen fehlender Rohstoffe, die zugunsten der deutschen Wirtschaft "konfisziert" werden, wird die Industrie und Landwirtschaft der Südzone sehr behindert, wenn nicht völlig lahm gelegt. Die Lage ist vor allem in der Grenzregion sehr schwierig, wo Unternehmen von ihren Arbeitskräften und Landwirte von ihren Feldern abgeschnitten sind. Wegen der höheren Preise in der Nordzone entwickeln sich Schmuggel und schwarzer Markt trotz aller eingeführten Kontrollmaßnahmen. Durch die Schwierigkeiten in der Versorgung wird die Gefahr des Mangels oder sogar der Hungersnot immer größer. Genauso wie der Personenverkehr unterliegt der Warenverkehr der Genehmigung durch die deutschen Behörden, wobei der Verkehr zwischen dem Norden und dem Süden am stärksten überwacht wird. Im Mai 1941 tritt eine gewisse Erleichterung ein, als Darlan im Austausch gegen Gegenleistungen in Syrien die Wiederherstellung des Verkehrs von Waren und Werten erreicht, vor allem aus der nicht besetzten in die besetzte Zone.

Trotz einiger Engpässe im Bereich der Energie, der Rohstoffe und Arbeitskräfte erholt sich die Wirtschaft langsam, um sich 1942-1943 wieder zu verschlechtern und 1944 völlig zusammen zu brechen. Im Februar 1943 heben die Deutschen die Demarkationslinie auf, da sie seit November 1942 das gesamte französische Territorium besetzt haben. Jedoch verschwindet sie nicht von den Karten des deutschen Generalstabs, und einige Einschränkungen bleiben bestehen, vor allem im Warenverkehr. Da den Franzosen bis zum Ende des Krieges ihre Wiedereinführung droht, ist die Demarkationslinie bis 1944 ein Druckmittel geblieben.

III - Zusätzliche Unterlagen Die Schlüsseldaten der Demarkationslinie (1940-1944)

Filme und Bücher über die Demarkationslinie Die Teilung des nationalen Territoriums und die Folgen, die sich aus der Einführung der Demarkationslinie ergeben, prägen die Phantasie des Volkes tief. Unter den Werken (Zeugnisse, Romane ...) und den Filmen (Kino- oder Fernsehfilme), die an diese schmerzhafte Epoche der französischen Geschichte erinnern, sind zu nennen: "Die Demarkationslinie", ein Film von Claude Chabrol (französisch, 90Min, schwarzweiß, 1966) Claude Chabrol (1930 in Paris geboren) widmet seinen ersten Film über die Zeit der deutschen Besetzung der Demarkationslinie. Claude Chabrol hat das Drehbuch zusammen mit Gilbert Renault (Vannes 1904-Guingamp 1984), alias Oberst Rémy geschrieben, einem Gaulliste der ersten Stunde, Widerständler und Gründer des Nachrichtennetzes Confrérie (Bruderschaft) Notre-Dame. Der Film von Chabrol erzählt das tägliche Leben eines kleinen Dorfes in der Umgebung von Dole im Jahr 1942, in dem einige Einwohner einer Widerstandsorganisation angehören, die bei dem Überschreiten der Demarkationslinie hilft. "Die Demarkationslinie", Werk in 22 Bänden von Oberst Rémy, in dem er vor allem viele Zeugnisse von Fluchthelfern der Résistance wiedergibt (Veröffentlicht von 1964 bis 1974, Edition Librairie Académique Perrin). "Die Demarkationslinie, 1940-1944 : eine künstliche Grenze", Veröffentlichung von Eric Alary, in Guerres mondiales et conflits contemporains (Weltkriege und Konflikte der Gegenwart), April-Juni 1998, Nr. 190. "Die Demarkationslinie", Werk von Eric Alary (Edition Perrin, 2003) "Die Demarkationslinie", Werk von Danièle Gervais-Marx, Vorwort von Jean-Pierre Azéma (Edition Hachette, Collection Pluriel, 2004)
Ein Museum auf der Demarkationslinie Eröffnet im Juni 2006 in Génelard (Saône-et-Loire); dieses erste französische Museum, das der Demarkationslinie gewidmet ist, ist das ganze Jahr über geöffnet. Interpretationszentrum der Demarkationslinie Place du Bassin 71420 Génelard Tel. : 03 85 79 23 12


Die Teilung Frankreichs. Dreizehn Departements</br>werden von der Demarkationslinie durchschnitten :</br>Basses-Pyrénées, Landes, Gironde,</br>Dordogne, Charente, Vienne, Indre-et-</br>Loire, Loir-et-Cher, Cher, Allier,</br>Saône-et-Loire, Jura und Ain.</br>Quelle : MINDEF/SGA/DMPA

Interzonenkarte. Quelle : Musée de la Résistance et de la Déportation de Bourges et du Cher

Die Demarkationslinie bei Chalon. Die Linie ist auf verschiedene Arten gekennzeichnet, durch Schilderhäuschen... Quelle : Musée de la Résistance Nationale - Champigny ...durch einfache Beschilderung.</br>Quelle : Musée de la Résistance Nationale - Champigny


Deutsche Verordnung vom 4. Oktober 1940 gegen das unerlaubte Überqueren der Demarkationslinie, veröffentlicht in L'Oeuvre am 18. Oktober 1940. Quelle : Musée de la Résistance Nationale - Champigny Die Demarkationslinie in Moulins. Ab dem 1. März 1943 braucht man keinen Passierschein mehr, um die Linie zu überqueren. Quelle : LAPI/Musée de la Résistance Nationale - Champigny


Flüchtlinge, die die Demarkationslinie in Vierzon überschreiten.</br>Quelle : Musée de la Résistance et de la Déportation de Bourges et du Cher

Illegale Grenzgänger, die in der Gegend von Pleumartin verhaftet wurden. Quelle : Archives départementales de la Vienne

Denkmal "Mut - Freiheit" zur Erinnerung an die illegalen Grenzgänger, von Jean-Pierre Niogret, Thénioux. Quelle : Jean-Pierre Niogret

Die Frage der Versorgung macht immer größere Sorgen, da die Deutschen jetzt 40% oder mehr der Produktion für sich beanspruchen. Antideutsches Flugblatt. Quelle : Musée de la Résistance Nationale - Champigny Alle Produkte, absolut alle, interessieren die Deutschen... Etikett auf einem für Deutschland bestimmten Güterwagen. Quelle : MINDEF/SGA/DMPA


