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Die Erinnerung an die Auslandseinsätze in Deutschland

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Wald der Erinnerung, bei Potsdam. © Nina Leonhard

Ein institutionalisiertes Gedenken an die Erfahrungen der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen ist in Deutschland relativ neu. Es ist eng mit seinem Einsatz in Afghanistan (2001-2014) verbunden, einem externen Schauplatz, auf dem die deutschen Armeen ihre ersten Verluste erlitten. Diese Tatsache veranlasste die politischen Behörden dazu, den Aufbau eines neuen Kriegsgedenkens zu unterstützen.

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In Afghanistan wurden die deutschen Streitkräfte, die zuvor auch in Bosnien und im Kosovo im Einsatz waren, zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Landkämpfe verwickelt. Dabei erlitten sie ihre ersten Verluste. Diese Konfrontation mit dem Tod wurde zu einem Kristallisationspunkt für die Regierenden bei ihren Bemühungen, eine neue Gedenkpolitik zu etablieren, die sowohl mit dem Bedürfnis der Soldaten nach sozialer Anerkennung als auch mit den Vorbehalten einer deutschen Gesellschaft, die der Anwendung von Gewalt als politischem Mittel skeptisch gegenübersteht, vereinbar ist. Die historische Erfahrung vor 1945 hatte nämlich eine öffentliche Kritik am „klassischen" militärischen Heldentum in Gang gesetzt und die Denkmäler für das Vaterland und den Krieg von einst zerstört oder zumindest beiseite geräumt.

Die beiden zentralen militärischen Gedenkstätten - die Gedenkstätte in Berlin und der „Wald der Erinnerung" in der Nähe von Potsdam -, die im letzten Jahrzehnt errichtet wurden und nun das offizielle Gedenken der deutschen Streitkräfte darstellen, sind ein gutes Beispiel für diesen neuen Ansatz des Gedenkens.

Das Ehrenmal der Bundeswehr als Symbol der öffentlichen Würdigung

Die Gedenkstätte („Ehrenmal") der Bundeswehr wurde im September 2009 eingeweiht und ist seitdem die nationale Gedenkstätte für die gefallenen Soldaten der Bundeswehr. Seine Fertigstellung ging mit einer öffentlichen Kontroverse über die Frage einher, wie heutzutage des militärischen Todes im Allgemeinen und des Todes von Angehörigen der Bundeswehr im Besonderen gedacht werden soll. Diese Frage stellte sich, weil die bereits bestehenden nationalen Kriegerdenkmäler in Deutschland den Opfern von Krieg und Tyrannei gewidmet sind; sie sind aus dem langen und komplexen Prozess der Akzeptanz der Verbrechen des Nationalsozialismus hervorgegangen und stellen den Versuch dar, eine angemessene Form des Gedenkens an diese Vergangenheit zu finden. Das bedeutet, dass sie die Realität der Todesfälle bei der Bundeswehr, insbesondere bei Auslandseinsätzen, nicht wirklich erfassen. Es musste also ein neuer Ansatz gefunden werden, um dieser Toten zu gedenken.

Die Idee, einen zentralen nationalen Ort zum Gedenken an die Toten der Bundeswehr zu schaffen, geht auf einen Besuch des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Jung in Afghanistan im Dezember 2005 zurück. Als das Projekt der Gedenkstätte im Mai 2007 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, kam es zu einer lebhaften Debatte. Tatsächlich war es die Idee des Ministers, ein Denkmal in der Nähe des Bendlerblocks, dem Sitz des Verteidigungsministeriums in Berlin, zu errichten und es allen Angehörigen der Bundeswehr, Soldaten und Zivilisten, zu widmen, die seit der Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955 in Ausübung ihres Dienstes ums Leben gekommen sind. Die Gegner des Projekts sprachen sich hingegen eher für die Errichtung einer Gedenkstätte in der Nähe des Bundestags, dem Sitz des deutschen Parlaments in Berlin, aus, die allen im Rahmen von Auslandseinsätzen getöteten Personen, d. h. Soldaten, Polizisten sowie humanitären Helfern, gedenken sollte. Als die Gedenkstätte der Bundeswehr im September 2009 nach den Plänen des Verteidigungsministers offiziell eingeweiht wurde, waren die kritischen Stimmen weitgehend verstummt, da die Errichtung eines würdigen und nüchternen Ortes zur Andacht und zum Gedenken an die 3.200 militärischen und zivilen Opfer allgemeine Zustimmung fand.

Der Erfolg der ministeriellen Initiative kann als Zustimmung durch die Öffentlichkeit interpretiert werden, dass die Soldaten einer demokratischen Armee ein Recht auf öffentliche Anerkennung ihrer Toten haben, lässt sich aber auch dadurch erklären, dass die nach 1945 erfolgte Ablehnung des heroischen Totenkults nicht in Frage gestellt wurde, was sich insbesondere in den offiziellen Reden anlässlich der Einweihung widerspiegelte. Und nicht zuletzt wird durch den Standort in einer kleinen Straße gegenüber dem Verteidigungsministerium symbolisch die Beziehung der Toten zum Ministerium und damit, entsprechend der Logik der Verwaltungsführung, zur Regierungsbehörde betont - und weniger die Verankerung der Soldaten in der Gesellschaft als „Bürger in Uniform".

Die Gedenkstätte der Bundeswehr wird mittlerweile für Staatszeremonien genutzt und kann ansonsten tagsüber durch das offene Tor zur Straße, die an der Rückseite des Bendlerblocks entlangführt, besichtigt werden. Im Mai 2014 wurde der öffentliche Eingang der Gedenkstätte um ein aus Bronzeplatten bestehendes „Gedenkbuch" ergänzt, das die Namen aller Toten in chronologischer Reihenfolge auflistet. Es vervollständigt die Lichtinstallation innerhalb der Gedenkstätte, die die Namen der Toten auf die Wand projiziert.

Der „Wald der Erinnerung", der sich der privaten Trauer widmet

Im selben Jahr, im November 2014, wurde in der Nähe der Stadt Potsdam, auf dem Gelände des Kommandos Auslandseinsätze der Bundeswehr, der „Wald der Erinnerung", ein großes Waldgebiet von 4.500 m², eingeweiht Im Gegensatz zum Berliner Denkmal, das als öffentlicher Ort wahrgenommen und diskutiert wurde, wurde diese Gedenkstätte sowohl vom Verteidigungsministerium als auch von den Medien von Anfang an als militärische Angelegenheit behandelt und stieß in der Öffentlichkeit auf keine besondere Resonanz.

Der Bereich der Gedenkstätte besteht aus verschiedenen Elementen: zum einen werden am Eingang des Geländes auf Schautafeln Informationen zur Geschichte der Auslandseinsätze der Bundeswehr präsentiert; ein mit Säulen geschmückter Weg, auf denen in chronologischer Reihenfolge die Namen aller bei Auslandseinsätzen gefallenen Soldaten eingeritzt sind, führt zu einem Andachtsraum; daneben befinden sich die „Ehrenhaine", die von den Soldaten in Bosnien, im Kosovo und in Afghanistan zum Gedenken an ihre dort verstorbenen Kameraden errichtet wurden und die inzwischen nach Deutschland überführt und nach der Auflösung der jeweiligen Lager maßstabsgetreu wieder aufgebaut wurden. Zum anderen greift der Wald die Idee eines Waldfriedhofs oder Ruheforstes als Rahmen für das Gedenken an die Toten auf, angepasst an die Bedingungen des gewählten Geländes: Familien, Freunde und/oder Kameraden der im Einsatz gefallenen Soldaten können ihre eigenen Bäume zum Gedenken an ihre Angehörigen pflanzen oder einen der vorhandenen Bäume auf dem Gelände individuell markieren.

Das Konzept des „Waldes der Erinnerung" wurde vom Ministerium in Absprache mit Vertretern der Hinterbliebenen ausgearbeitet. Der Wald ist normalerweise unter der Woche tagsüber für die Öffentlichkeit zugänglich. Als Teil einer Militärkaserne wird er dennoch vor allem von Angehörigen der Bundeswehr und organisierten Besuchergruppen besucht. So kann er als ein die offizielle staatliche Gedenkstätte in Berlin ergänzender Ort des Gedenkens beschrieben werden, der Raum für ein informelles Gedenken im Kreis der Kameraden oder Verwandten der Toten bietet. In einer allgemeineren Perspektive kann er einerseits als Zeichen einer „Individualisierung" des Gedenkens an den militärischen Tod verstanden werden. Andererseits zeichnet sich der Wald aufgrund seiner Lage auf einem Militärgelände sowie der Rekonstruktion der „Ehrenhaine" des Aufmarsches durch einen ausgeprägten organisatorischen Bezug aus. In diesem Sinne richtet sich diese Gedenkstätte an die private Trauer und erinnert an die Zugehörigkeit zum militärischen Beruf.

Die beiden beschriebenen Standorte sind herausragende Beispiele für das einsatzbezogene Gedenken der Bundeswehr, das jedoch nicht darauf reduziert werden kann: Mit der 2018 offiziell verabschiedeten Definition von Veteranen gibt es nun einen Rahmen für eine Politik, die unter anderem den besonderen Bedürfnissen derjenigen gerecht wird, die physische oder psychische Verletzungen im Zusammenhang mit einem Einsatz erlitten haben. Darüber hinaus gibt es Zeichen des materiellen Gedenkens an die Einsätze wie Auszeichnungen, wie es die 1996 geschaffene „Einsatzmedaille" und die seit 2010 verliehene „Gefechtsmedaille" symbolisieren. Und schließlich haben sich Ereignisse während des deutschen Feldzugs in Afghanistan, wie das so genannte Karfreitagsgefecht im April 2010, bei dem drei Soldaten starben und acht Soldaten schwer verwundet wurden, als erzählerische Bezugspunkte dieses neuen deutschen Militärgedenkens etabliert.

 

Nina Leonhard - Deutsche Soziologin, Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr