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Das Gedenken an den Widerstand: die Widerstandsgruppe (Maquis) von Vercors

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Vassieux-en-Vercors, Ruinen vom Juli 1944. © Sammlung M. Bleicher

In der allgemeinen Vorstellung weisen die Landschaften des Widerstands häufig auf den Buschwald als Raum hin, in den sich Frauen und Männer in den Bergen oder Wäldern der Umgebung flüchteten, um den Widerstand gegen die Behörden von Vichy und den Besatzer zu organisieren. Das Massiv des Vercors mit seiner naturbelassenen Landschaft, seinen wiederaufgebauten Dörfern und seinen Gedenkstätten beherbergt heute die Erinnerung an die Widerstandskämpfer der Jahre 1943-1944.

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Ein aufmerksamer Beobachter, der das Massiv des Vercors besucht, bewundert zuerst die natürliche Schönheit einer Landschaft, die mit ihren Felswänden und Wüsten einerseits wuchtig und in ihren Wäldern düster ist, andererseits mit ihren Wiesen im Tal und ihren Almen aber auch sanft.

 

Diese unterschiedlichen Umgebungen erwiesen sich zwar als geeignet für Kämpfe, konnten aber auch zu einer Falle werden. In kleinerem Maßstab bemerkt man tatsächlich mehrere Anzeichen dafür, dass sich dort vor einigen Jahrzehnten ein großes Drama des Widerstands abgespielt hat.

 

Vassieux-en-Vercors, ruines de juillet 1944. © Collection M. Bleicher

Vassieux-en-Vercors, Ruinen vom Juli 1944. © Sammlung M. Bleicher

 

Da sind zuerst die Spuren von Ruinen - Herbouilly, le Revoulat, Valchevrière. Denn im August 1944 wurden nach dem Abzug der deutschen Truppen, als Hunderte Widerstandskämpfer und Zivilisten getötet worden waren, ganze Dörfer und Hunderte Gebäude zerstört.

 

Aber es gibt auch Zeichen eines Wiederaufbaus, die den Blick auf sich ziehen, mit „fast neuen“ Dörfern wie St-Nizier-du-Moucherotte, Chapelle-en-Vercors und Vassieux-en-Vercors. Denn im Vercors entschied man sich im Gegensatz zu Oradour-sur-Glane, wo die Ruinen unverändert erhalten wurden, zu einem Wiederaufbau, der nicht identisch sein sollte, sondern nach den modernen Maßstäben der im ländlichen Raum der Jahre 1945-1950 verfügbaren Modernität. Der Brücken- und Straßeningenieur Pietri leitete an der Spitze eines Teams aus 9 Architekten diese ganze Operation, die gleichzeitig die Unabwendbarkeit der Aufgabe ablehnte und der Bevölkerung bessere Lebensbedingungen als vor dem Krieg bot.

 

Die Zerstörung ist so groß, dass am 1. Oktober 1944 ein Ausschuss für Hilfe und Wiederaufbau des Vercors gegründet wird. Das Ministerium für Wiederaufbau und Städtebau, die Amicale des Pionniers du Vercors und lokale Unternehmen tragen zur Finanzierung des Wiederaufbaus bei. Die Hilfswerke der „Schweizer Spende“ ergänzen die ersten Summen, die für den Wiederaufbau bewilligt werden: Lieferung von Medikamenten, lebensnotwendige Güter zur Soforthilfe, Baumaterial. Am 15. Dezember 1944 werden die Arbeiten bereits begonnen. Im Winter 1944-1945 werden 32 provisorische Baracken in den am stärksten betroffenen Gemeinden errichtet. Geschäfte und landwirtschaftliche Gebäude werden saniert. Im November 1945 werden alle Familien wieder untergebracht, zumindest provisorisch. Es werden Wohnungen nach genauen Modellen errichtet, die nach Beratungen zwischen den Bewohnern und den lokalen Behörden festgelegt wurden. Im Sommer 1947 hat der Großteil der Familien wieder ein Heim, der Anbau wird wieder aufgenommen und die Wirtschaftskreisläufe werden wieder belebt. Villard-de-Lans besitzt ausreichende Unterkunftskapazitäten und manche Hotels sind bereit, Touristen zu beherbergen. Im Herbst 1947 öffnen brandneue Schulen für die Schüler ihre Pforten und die Geburtenrate steigt.

 

Vassieux-en-Vercors aujourd’hui. © L. Pascal/La Drome Tourisme

Vassieux-en-Vercors aujourd’hui. © L. Pascal/La Drome Tourisme

 

Die Landschaft des Vercors ist auch von mehreren wichtigen Gedenkbauten geprägt, von denen einige von der Amicale des Pionniers du Vercors verwirklicht wurden: drei Friedhöfe, die sich heute im Eigentum des Verteidigungsministeriums befinden und wo die Fahnen im Wind der Berge flattern und die Landschaft im wörtlichen Sinn beleben, ein Gedenkraum, ruhende Figuren (zum Beispiel in Malleval) und eine Statue von Gilioli. Ein Museum und eine Gedenkstätte des Widerstands in Vassieux-en-Vercors und am Col de la Chau erzählen oder zeigen den Besuchern die Vergangenheit des Widerstands des Vercors. Neben diesen Hauptwerken ist der Vercors, wenn man ihn über Straßen, Wälder, Lichtungen und Felder, sogar Höhlen, tatsächliche oder irreführende Unterstände (Pas de l’Aiguille, La Luire) erkundet, von Stelen oder kleinen Denkmälern übersät, welche die Kämpfe und Opfer der Widerstandskämpfer unsterblich machen. Mehr als 200 Schilder, Stelen und Kreuze sowie Wimpel markieren das Land, diesen Mutterboden der Freiheit.

 

Diese Orte lassen heute Erinnerungen aufkommen. Ein sichtbares, ständiges Hin und Her zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart prägt den Alltag von mehreren Tausend Bewohnern des Massivs und der Umgebung durch Namen von Straßen oder Plätzen: „Rue des Francs-Tireurs“ (Freischützenstraße), „Place des Martyrs“ (Märtyrerplatz). Es kommt nicht selten vor, dass jemand in der „Rue des Pionniers“ (Pionierstraße) in Villard-de-Lans wohnt und in Lans-en-Vercors am „Chemin des Fusillés“ (Weg der Erschossenen) arbeitet sowie seine Kinder in der „Cité scolaire Jean Prévost“ einschult. Sie ist nach dem Schriftsteller und Journalisten benannt, der eine Kompanie Widerstandskämpfer im Vercors anführt und am 1. August 1944 von den Deutschen getötet wird.

 

Mitten im Zentrum von Vassieux-en-Vercors befindet sich am „Rondpoint des 5 communes Compagnons de la Libération“ (Kreisverkehr der 5 Gemeinden der Kameraden der Befreiung) ein Martyrologium, das die zivilen Opfer des Dorfes würdigt. Dominiert wird das Dorf von der wiederaufgebauten Kirche, die ein Lothringer Kreuz trägt, das in das Mauerwerk des Gebäudes gehauen und absichtlich integriert wurde.

 

In der Landschaft des Vercors erinnert alles an den Mut und den Glauben, die vor sieben Jahrzehnten die Widerstandskämpfer für die Befreiung des Landes geeint haben.