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Karikaturen der SD in Metz

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Karikaturen der SD in Metz © SHD

Die Art des hier dargestellten Dokuments ist außergewöhnlich. Falls es die Absicht des Autors war, ein humoristisches Werk zu verfassen, so hatte er keine Vorstellung davon, in welcher Art seine Karikaturen einen Teil der Agenten des Sicherheitsdienstes in Metz sowie ihre französischen Gegenspieler entlarven konnten, selbst diejenigen, die den Widerstand im Departement Moselle schwer getroffen haben.

Corps 1

Am Silvesterabend 1943-1944 hatten die Offiziere des Sicherheitsdienstes (SD) in Metz allen Grund zum Feiern. Unter der Befehlsgewalt des Gauleiters und dem Leiter der zivilen Verwaltung Josepf Bürckel, leidet das Departement Moselle bereits seit zweieinhalb Jahren unter dem Schicksal der Annektierung. Unter den Gästen ist auch Heinz Lautenschläger, 31 Jahre alt und Leiter der Sektion III C (kulturelle Angelegenheiten), seinerzeit ein brillanter Karikaturist mit bissigem Humor.

Karikaturen, die von den Nachrichtendiensten Frankreichs genutzt wurden

Als Höhepunkt des Abends skizziert Lautenschläger nicht nur seine SD-Kollegen, Agenten des Departements Moselle, sondern auch seine Vorgesetzten und insbesondere SS-General Anton Dunckern, leitender Kommandant der SIPO-SD für die Region Lorraine-Sarre-Palatinat. Nach der Befreiung werden in den SD-Büros in Metz fünf Bildtafeln mit Karikaturen gefunden. Nachdem diese von der Behörde für Dokumentation (BDOC) der französischen Spionageabwehr analysiert wurden, konnten dank diesen Aufzeichnungen zahlreiche Namen deutscher Funktionäre der SIPO-SD aufgedeckt werden, die im annektierten Departement Moselle im Einsatz waren. Die dargestellten Fotos wurden extrahiert und vergrößert und den individuellen Geheimdienstakten über Führungskräfte und Mitarbeiter der deutschen Polizei zugeführt, damit diese Personen insbesondere in den Lagern für Kriegsgefangene identifiziert werden konnten.

Corps 2

Der Zeichner selbst hat auch daran gedacht, sich selbst im Rahmen der 92 noch erhaltenen Karikaturen in Szene zu setzen. Auf der Bildtafel, die diesem Artikel angehängt ist (siehe Tonbildschau) ist er in Nummer 91 zu erkennen. Schwungvoll schlägt er die Trommel, während sein Kollege Rolf Dupin (Nr. 89) die Querflöte spielt. Sie machen Musik zu einer heidnischen Parade zu Ehren des Frühlings und des Wonnemonats Mai und die schöne Saison wird dargestellt durch Hauptscharführer Erich Langenberg (Nr. 87), der fest im Sattel eines Pferdes sitzt! Lautenschläger schreibt: ”Aber jetzt ist Schluss”. Denn die schöne Zeit der Annektierung ist vorbei.

Die Betrachtung dieser Zeichnungen kann einen durchaus verwundern und sie treffen sicherlich nicht jedermanns Geschmack. Ihre pure Existenz steht im vollkommenen Gegensatz zu dem Bild von Epinal, das der breiten Öffentlichkeit vermittelt wurde, das die deutschen Polizisten als brutale und unbarmherzige Wesen darstellte. Man muss gezwungenermaßen zugegeben, dass die Mitarbeiter des Geheimdienstes der Nazi Menschen waren, die das Leben genossen wie jeder andere Mensch auch. Sie lachten, verfügten über Selbstironie und hatten Spaß. Die SS hatte durchaus Sinn für Humor! Auch wenn ihre Taten alles andere als lustig waren.

Die gefährlichsten Agenten der SD im Departement Moselle

In der im Anhang dargestellten Bildtafel sind unter den verspotteten ”Opfern” zwei Personen erkennbar, zwei Einwohner des Departements Moselle, die vom Dienst VI, dem SD-Ausland, einem Geheimdienst zuständig für Spionageabwehr, rekrutiert worden waren. Alphonse Scherer (Nr. 75) und Jean Schoving (Nr. 81) zählen zu den gefährlichsten und effizientesten Lockspitzeln, die von HauptsturmführerHeinrich Fanelsa (Nr. 82), Leiter des Dienstes VI, angeworben wurden. Zu dieser Zeit setzten sich zwei junge Männer - Scherer im Alter von 24 Jahren und Schoving im Alter von 25 Jahren in der Region Sarreguemines in Szene, indem sie ein Netzwerk infiltrierten, das versuchen wollte, einen alliierten Piloten zurückzuschleusen. Diese Organisation stand hauptsächlich unter der Leitung des deutschen Anti-Nazis Karl Borgmann. Nach einer Reihe von Razzien zwischen September und November 1943, bei der es zu rund 50 Verhaftungen kam, nahm die Aktion ein dramatisches Ende. Karl Borgmann wird von der Polizei zum Selbstmord gedrängt.

Dies wiederum weckte die Aufmerksamkeit unseres Karikaturisten, was auf die zuvorkommenden Bemühungen Scherers zurückzuführen war. Dieser wird sitzend auf einer Bank dargestellt, als schmachtender Verehrer, melancholisch, der verzweifelt versucht, die Gunst einer üppigen deutschen Sekretärin zu erobern. Hierbei handelt es sich um Irène Kirsch (Nr.76), Stenotypistin von Fanelsa. Lautenschläger amüsiert sich über die vergeblichen Versuche des jungen Mannes, was ihn zu folgendem Titel verleitet: ”Der Agent der Spionageabwehr im Kampf gegen die ”ausländischen” ”Bande”. Diese verfahrene Liebessituation sollte Alphonse Scherer teuer zu stehen kommen. Fanelsa erfuhr von der Verbindung seines besten Agenten mit der jungen Dame und was noch schlimmer war, dass er sie zu einer Abtreibung bewegte, ein Verbrechen, das unter dem Nazi-Regime schwer wog. Fanelsa ließ Scherer im August 1944 verhaften und in das Umerziehungslager von Schirmeck bringen.

Jean Schoving wird dargestellt als Priester mit Soutane. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass der junge und selbstlose Mann vor Kriegsausbruch eine geistliche Laufbahn geplant hatte. Als humorvolles Detail ist zu nennen, dass der Autor, ehemaliger Postulant des geistigen Lebens, das Lothringer Kreuz und nicht das christliche Kreuz um den Hals trägt. Es vermittelt das schwierige Vorankommen, weshalb der Priester ”Schoving” von seinem Leiter Heinrich Fanelsa, der ihn an der Hand hält, auf den rechten Weg zurückgeführt wird. Möglicherweise handelt es sich um eine Anspielung auf den schwachen Charakter von Schoving, der nur unter Einfluss seines ”Patrons” in den Dienst der Deutschen gelangt ist. Der Titel fasst diese spezielle Beziehung zusammen: ”So funktioniert die Welt”.

Die beiden jungen Leute werden vom Gerichtshof des Departements Moselle zum Tode verurteilt und erschossen. Ihr Leiter Heinrich Fanelsa wurde nie behelligt.

Cédric Neveu

Historiker, Experte für die Unterdrückung und die Geheimpolizei der Nazis

WEITERE INFORMATIONEN

Alle Karikaturen sowie die ergänzenden Fotografien werden in einer Akte über die Mitarbeiter der SIPO-SD in Lothringen unter dem Aktenzeichen GR 28 P 7 79 aufbewahrt. Diese Akte kann im Lesesaal eingesehen werden.

Manche dieser Karikaturen wurden im Rahmen der Ausstellung ”Collaboration” ausgestellt, die von November 2014 bis April 2015 in den nationalen Archiven präsentiert wurde.

  • Caricatures du SD de Metz.
    © SHD
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    © SHD
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