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Cyril Brossard

Bericht – Lehrer *

> Was bedeutet der CNRD für Sie?

Seit zehn Jahren schreibe ich nun Klassen meines Lycée (meistens im vorletzten Jahr des allgemeinen oder technischen Zweigs) beim CNRD ein, in den verschiedenen Kategorien, die angeboten werden. Ich habe schnell den pädagogischen und staatsbürgerlichen Nutzen dieses Wettbewerbs begriffen. Im ersten Jahr, in dem wir teilnahmen, wollte ich einen klassischen Unterricht anbieten, und die Grenzen meines Vorgehens sind mir rasch bewusst geworden. Ich kam nicht an meine Schüler heran, die das Ganze nur als zusätzlichen Lehrstoff betrachteten, der nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Ich habe also die Richtung gewechselt und auf den Besuch von Zeitzeugen in der Klasse sowie auf die Vorführung eines Theaterstücks, das das Leben in den Übergangslagern von Loiret behandelt, gesetzt. Die Schüler begannen, mir Fragen zu stellen und wollten sich mehr einbringen. Ich konnte mein Wissen mit Hilfe des Rektorats von Lille und der Coupole d’Helfaut vertiefen, die Lehrgänge zum Wettbewerb anbieten, zu denen sie Überlebende der Deportation und Widerständler einladen.

 

Der CNRD nahm immer mehr Platz in meiner Ausbildung und meiner Pädagogik am Lycée ein. Dann haben meine Schüler und ich beschlossen, unsere Teilnahme am CNRD auf die lokale Geschichte der Stadt Berck sur Mer zu konzentrieren, wo das Stadtarchiv über zahlreiche Quellen verfügt, die bisher noch wenig genutzt worden waren.

 

Die Schüler haben sich dieser Quellen bedient und sie mit den ihnen bekannten Familiengeschichten in Verbindung gebracht. Der CNRD nahm mehr und mehr Form an. Die Orte, die sie in ihrer Arbeit behandelten, waren den Schülern bekannt, sie hielten sich dort häufig auf. Die Personen, mit denen sie sprachen, verkörperten diesen Moment der Geschichte Frankreichs. Der Wettbewerb wurde fast zu einer „Rätselrallye“, die es zu lösen galt, um ein dokumentiertes Dossier zu schaffen, das die Schüler mit Leben und mit ihrer eigenen Ansicht der Geschichte gefüllt hatten.

 

Das ist, was der CNRD für mich darstellt, einen Weg zu einem besseren Verständnis davon, was passiert ist, davon, was die Widerstandskämpfer und Deportierten im zweiten Weltkrieg erlebt haben, sowie ein großartiges pädagogisches Werkzeug zur Weitergabe der Erinnerung. Die Schüler arbeiten mit den Zeitzeugen, studieren die Dokumente, führen Erhebungen durch und werden sich der Komplexität der Geschichte und der persönlichen Entscheidungen jedes Einzelnen bewusst.

 

Dank des CNRD habe ich Kontakte zu wunderbaren Personen geschaffen, die immer bereit waren, Zeugnis abzulegen und den Schülern zu helfen, diese Periode besser zu verstehen. Der CNRD ist ein großartiges pädagogisches Mittel, mit dem auf lange Dauer gearbeitet wird, und das neue Verbindungen zwischen den Generationen schafft. Mir fällt ein Zitat ein, das mir Alain Landau, Sohn von Dr. Léon Landau, Deportierter und Überlebender von Auschwitz-Birkenau anvertraut hat. Er hat sich sehr gefreut, dass wir mit den Schülern die Dokumente, die die Geschichte seines Vaters betreffen, bearbeiten konnten. Er hat einen Auszug aus dem Vorwort von Maurice Blanchot des Buches „Schreiben oder Leben“ von Jorge Semprun gewählt: „Wer sich erinnern will, muss sich dem Vergessen überlassen, er riskiert das absolute Vergessen, oder den glücklichen Zufall, der zur Erinnerung führt.“ Die Arbeit für den CNRD dauert jedes Schuljahr von September bis März, und erlaubt es uns, uns Zeit für Überlegungen, für das Gedenken und die Kreation einzuräumen, und auch der Logik der schulischen Notengebung zu entkommen. All dies ist sehr motivierend.

 

> Was ist Ihrer Meinung nach heute sein Nutzen?

 

Es ist richtig, dass die Zeitzeugen heute immer weniger werden, und dass es bald gar keine mehr geben wird. Der CNRD beschränkt sich jedoch nicht nur auf Begegnungen mit Zeitzeugen. Der CNRD bedeutet auch die Begegnung mit den von der Résistance und der Republik getragenen Werten. Er ist ein Mittel im Kampf gegen Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus und Hass anderen gegenüber. Er ermöglicht es uns, zu diskutieren, einander näher zu kommen, den Sinn des Engagements und die Konsequenzen extremistischer Aussagen zu verstehen. Dieses Jahr haben meine Schüler den Film „Les Héritiers“ (Die Schüler der Madame Anne) gesehen, und haben Fragen zu den Wurzeln des Rassismus, der Intoleranz und des Fremdenhasses gestellt. Die Arbeit eines Lehrers, der die Geschichte begreiflich machen muss, ist schwierig, er muss die Propaganda, die zum Hass aufruft, widerlegen, in der Vergangenheit nach Erklärungen suchen, die den Groll gegen schmerzhafte Erinnerungen wachrufen können. Der CNRD bietet die Gelegenheit, über die Werte und das Engagement jener Männer und Frauen nachzudenken, die beschlossen haben, zu einem bestimmten Zeitpunkt im Namen eines Wertes und angesichts des Unakzeptablen beschlossen haben, Nein zu sagen. Er lädt auch dazu ein, über den wertvollen und zerbrechlichen Charakter der Werte von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ nachzudenken. Der CNRD verkörpert diese Werte. Ja, Frauen und Männer haben bis zu ihrem Tod gekämpft, um sie aufrecht zu erhalten. Ja, Frauen, Kinder und Männer haben ihr Leben gelassen, weil diese Werte im Juli 1940 aus der französischen Republik verschwunden waren. Der CNRD erfüllt eine wichtige staatsbürgerliche Aufgabe. 

 

> Und in 20 Jahren, was wird der CNRD Ihrer Meinung nach sein?

 

Schwierige Frage. Mir schwebt ein europaweiter, sogar internationaler CNRD vor, mit Partnerschaften zwischen diversen Schulen, die gemeinsam ein Thema bearbeiten. Ein CERD würde auch zu einer Verstärkung der europäischen Identität beitragen und Verbindungen schaffen. Betrachten wir objektiv die Vergangenheit, um die Zukunft zu erbauen. Die Verbindungen zwischen De Gaulle, „Mann der Vorsehung (Churchill)“, und England sind nicht zu übersehen. Denken wir auch an den deutschen Pastor Martin Niemöller, der 1937 verhaftet und in das Lager von Sachsenhausen deportiert wurde, weil er gegen die von den Nazis eingeführten Maßnahmen gegen die Juden protestiert hatte.  Er wird anschließend im Jahr 1941 ins Konzentrationslager von Dachau verlegt. Denken wir an all die Frauen und Männer aus allen Schichten und allen Ecken der Welt, wie Félix Eboué, den Gouverneur des Tschad, der der France Libre eine souveräne territoriale Basis anbietet, in der die Werte und Gesetze der Republik gelten, an die Gruppen der MOI (eingewanderte ausländische Arbeitskräfte), die kämpfen, weil sie eine Zuneigung und „eine gewisse Idee Frankreichs“ haben… Verschiedene, ruhige Blickwinkel ermöglichen es uns, uns besser zu verstehen und sich über die nationalen Grenzen hinaus besser kennen zu lernen.  Ich werde niemals das Zitat des berühmten Historikers Marc Bloch vergessen: „Ein Wort, um ehrlich zu sein, beherrscht und erleuchtet unser Lernen: „verstehen“…Ein Wort, das vor allem voller Freundschaft ist.  Bis in unser Handeln verurteilen wir zu oft (….) Wir verstehen nie genug. »

 

Ich wünsche dem CNRD, dass er auf europäischem Niveau wachsen kann. Es geht nicht darum, zu vergessen, was in Frankreich geschehen ist, sondern die Vergangenheit zu kennen, um eine bessere europäische Gesellschaft für die Zukunft aufzubauen.  Ein zukünftiger CERD scheint mir ein geeigneter Ansatz dafür zu sein…

 

* Lycée Jan Lavezzari in Berck sur Mer (62)

Ministère de la défense - SGA/DMPA/SDMAE/BAPI - Reportage von Marie-Christine Caubet. Bildquellen:

Beiträge der Schüler und ihrer Lehrer. - © Présidence de la République française – Élysée.fr