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2020, das „de Gaulle“-Jahr

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Chapeau

Das Jahr 2020 ist im Zusammenhang mit General de Gaulle ein dreifaches Jubiläum. Es gibt viele Gelegenheiten, um den Anführer der Freien Franzosen zu feiern, sein engagiertes Leben in Erinnerung zu rufen oder auch die Auswirkungen besser zu verstehen, die der Aufruf vom 18. Juni 1940 bis in die heutige Zeit hat.

Ausstellung „1940, il est devenu de Gaulle“ vom 15. Februar bis zum 17. Oktober 2020, Charles de Gaulle-Denkmal, Colombey-les-deux-Églises.
Texte

General de Gaulle ist zweifelsohne die bekannteste zeitgeschichtliche Figur Frankreichs. Sein „Aufruf“ wurde mehr denn je zum zentralen Gegenstand der Erinnerung in diesem Jahr 2020, dem „de Gaulle“-Jahr, in dem ein dreifaches Jubiläum stattfindet - 130. Geburtstag, 50. Todestag und 80. Jahrestag seines Aufrufs. Wie lässt sich erklären, dass im Laufe der Zeit die Tragweite dieser Rede stetig zunimmt? Was bedeutet die Botschaft de Gaulles über den Aufruf hinaus heute?

„Die Erinnerung an den General wachhalten“?

Gerade jetzt, wo die Zeitzeugen des Generals immer weniger werden, wird über die Frage der Vermittlung des Erbes nachgedacht. Als einzige staatlich anerkannte nationale Einrichtung, welche die Erinnerung an den General wachhält, steht die Stiftung Charles de Gaulle diesbezüglich an vorderster Front. Sie liefert darauf seit vielen Jahren eine erste Antwort, indem sie sich an die Jugend wendet: Pädagogische Aktivitäten nehmen dank der Partnerschaft mit dem Ministerium für nationale Bildung und Jugend einen immer wichtigeren Platz innerhalb der Stiftung ein. Auf diese Weise entspricht sie auch der persönlichen Geschichte des Generals, für den Bildung immer das Wichtigste war.

Die Erziehung der Jugend bildet daher einen der vier Tätigkeitsbereiche der Stiftung, neben der universitären Forschung und der politischen Meinungsbildung, der Vermittlung in der Öffentlichkeit und der Förderung der internationalen Wahrnehmung Frankreichs. Die Projekte des Jahres 2020 sollen diese dynamischen Herangehensweisen an das Erbe de Gaulles erhellen und über die Gedenkpolitik hinausgehen. Dazu arbeitet die Stiftung Charles de Gaulle mit zahlreichen Akteuren zusammen, darunter Ministerien (Verteidigung, nationale Bildung und Jugend), Stiftungen (Ordre de la Libération, Freies Frankreich oder Marschall Leclerc), Regionen (Hauts-de-France, Grand Est) usw.

Eine Jubiläumssaison

Symbolische Orte und Daten werden im Mittelpunkt stehen: die gaullistischen Orte der Stiftung Charles de Gaulle nehmen einen wichtigen Platz im Gedenkkalender ein. Die Bauphase für das Institut Charles de Gaulle im Libanon beginnt. Das französische Departement Nord startete gemeinsam mit der Stiftung Charles de Gaulle und der Stiftung für Kulturbesitz einen landesweiten Spendenaufruf, um die Finanzierung der Renovierung des Geburtshauses des Generals in Lille, 9 rue Princesse, zu unterstützen: die Wiedereröffnung ist für den 22. November anlässlich des 130. Geburtstages des Generals geplant. Das Armeemuseum greift diese Dynamik auf: als großes Museum der Militärgeschichte aber auch als „gaullistische Hochburg“ nutzt das Armeemuseum das Jahr 2020, um der Öffentlichkeit das renovierte Historial Charles de Gaulle und die neu gestalteten Räume zum Zweiten Weltkrieg zu präsentieren; die Ausstellung „Comme en 40“ findet von April bis Juli 2020 statt.

Colombey-les-Deux-Églises wird am 9. November anlässlich des 50. Todestages des Generals im Zentrum der Feierlichkeiten stehen. Die Jugend wird mobilisiert: es ist eine Gelegenheit, das Engagement wieder in die wesentlichen Werte der Republik einzubetten. Der Mann vom 18. Juni ist ein einzelner Mann, der von seiner Freiheit Gebrauch macht, nein zu sagen. Diese Botschaft wird anlässlich eines anderen Höhepunkts im Jahr 2020 verbreitet werden: beim Gedenken an die Studentendemonstration vom 11. November 1940 auf der Place de l‘Étoile in Paris; diese war die erste Form des öffentlichen Widerstands gegen den Besatzer und bis 1944 die einzige Studentenkundgebung.

Mit der Île de Sein wird ein besonders symbolträchtiger Ort im Mittelpunkt der Feierlichkeiten zum Aufruf vom 18. Juni stehen, bei dem die 128 Bewohner der Insel gewürdigt werden, die zu den ersten Franzosen zählten, die sich General de Gaulle im Juni 1940 in London anschlossen. Die Anwesenheit dieser Matrosen an der Seite des Generals veranlasste ihn damals zu sagen, dass diese kleine Insel die „Wache Frankreichs“ darstellte; auf der anderen Seite des Ärmelkanals wird London diese Würdigung aufgreifen. Die Feierlichkeiten werden einen besonderen Platz in der Stadt einnehmen, von der aus General de Gaulle seinen Aufruf verbreitete; im Zusammenhang mit dem Brexit soll diese Entscheidung eine Botschaft vermitteln: die Geschichte verbindet mehr als sie trennt. Die Hauptstadt des europäischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus war Zeuge davon.

De Gaulle verstehen und erfassen

Neben diesen Ereignissen im Zusammenhang mit dem Gedenkkalender und den symbolträchtigen Orten des Lebens von General de Gaulle werden im Jahr 2020 Verlags- und Dokumentationsprojekte durchgeführt, ebenso audiovisuelle, künstlerische (Theateraufführungen: „Meilleurs alliés“ und „Le Crépuscule“) und pädagogische Projekte (Nationaler Wettbewerb 2019/2020 zum Widerstand und zur Deportation: „1940, entrer en Résistance: comprendre, refuser, résister“). Die wissenschaftliche Dimension wird durch die Veranstaltung von Kolloquien zum Ausdruck kommen. Die Stiftung veranstaltet insbesondere ein Seminar über den Beitrag von General de Gaulle zur Bestimmung der Rolle, die Frankreich in der heutigen Welt einnimmt. Darin wird es um die Auseinandersetzung mit dem Entscheidungssystem in der Außenpolitik und der Hinterfragung der Zielsetzungen und Mittel der Macht gehen. Dieses Seminar mit dem Titel „De Gaulle et le grand large, une ambition mondiale pour la France d’hier à aujourd’hui“ (De Gaulle und das offene Meer, globale Ambitionen für das Frankreich von gestern bis heute) beginnt mit einem Eröffnungstag am 13. Januar 2020 im Senat.

Das Jahr 2020 wird den Blick also nicht auf die Vergangenheit richten: es geht nicht einfach nur darum, an den Tod des Mannes vom 18. Juni zu erinnern. Es bietet die Gelegenheit, über das Erbe und dessen Vermittlung nachzudenken. Man muss sich an die Jugend wenden, um die Aktualität der Fragen im Zusammenhang mit dem General zu zeigen: Die Grundlagen des heutigen Frankreichs hinsichtlich Außen-, Wirtschafts-, nationaler Verteidigungspolitik oder auch der Institutionen sind in seinem Werk zu suchen. Die Unabhängigkeit und Größe Frankreichs sind die Gedanken, die seine Politik geleitet haben. Der Gaullismus ist aus der Verweigerung der Niederlage entstanden und der Aufruf vom 18. Juni stellt einen Wendepunkt und Gründungsakt dar. Das Erbe kann auch aus dem Blickwinkel der Moderne verstanden werden, die eine Bedingung für die Unabhängigkeit ist. Es lässt sich aber auch an der gaullistischen Botschaft messen: In einer Zeit, in welcher der Individualismus Boden gutmacht und die Werte undeutlich werden, bekommt der Begriff des Engagements wieder seine volle Bedeutung: Wer könnte bei der Jugend dieses Engagement, das den Menschen in eine gemeinsame Geschichte einbindet, besser verkörpern, als der General? Es geht um diese gemeinsame Geschichte, „die Quelle der neuen Begeisterung“, die man verstehen und fortsetzen muss, um sie besser zu erfassen. Die Herausforderung für das Jahr 2020, das „de Gaulle“-Jahr, könnte wohl darin liegen, den Übergang von der Vermittlung zur Aneignung zu fördern.


Auteur
Laurence Negri - Direktorin für pädagogische und digitale Aktivitäten, Stiftung de Gaulle

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