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Les prisonniers de guerre français 1914-1918

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Französische Kriegsgefangene besteigen einen Waggon unter der Bewachung durch deutsche Soldaten

Au nom de tous les autres : l'Internationale des Soldats inconnus (1916-2004)

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Grab des Unbekannten britischen Soldaten in der Westminster Abtei in London.

Le 11 novembre 1918 - Quelques témoignages écrits

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Clemenceau auf der Tribüne am 11. November 1918

La peinture et la Grande Guerre

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Georges Bruyer

La Résistance en actes

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Die Zeitung

Les écrivains allemands et la Grande Guerre

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Ernst Jünger

La politique des otages sous l'Occupation

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Ankündigung des deutschen Militärkommandos in Frankreich, veröffentlicht in l'Œuvre vom 23. August 1941.

1917 - année de la guerre sous-marine à outrance

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Amerikanischer Geleitzug von Frachtschiffen

La Première Guerre mondiale (1914-1918)

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Die Landung in Dardanelles

Die kanadischen Soldaten in den Schützengräben in Frankreich und Belgien

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An der Front in Nordfrankreich, 1918

1914-1918 - Die ersten Kämpfer des Himmels

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Beladen eines Farman 40 mit Bomben

Die Résistance

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©SHD

” Die freien Franzosen sind von Vichy zum Tode verurteilt, doch eines Tages wird man
die Namen dieser Menschen lobpreisen, in Stein eingravieren und sie in den Straßen
und der Dörfer Frankreichs wiederfinden . Eines Tages, wenn Frankreich und ganz
Europa die Freiheit und den Ruhm wiederfinden werden.”

Winston Churchill, August 1940

Août 1944 - Libération de Paris

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Konvoi mit deutschen Gefangenen rund um die Place de l'Opéra am 25. August 1944.  

La drôle de guerre 39-40

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General Béthouard, Kommandant des französischen Expeditionskorps in Narvik.

Militärfriedhöfe, die 1940 im Laufe des Frankreich-Feldzuges errichtet wurden

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Der Friedhof von Chastre

Bestattungen in den 40er-Jahren

Die Gefallenen des Frankreich-Feldzuges wurden direkt an den Orten der Kampfhandlungen zurückgelassen. Auch wenn manche schnell von den lokalen Behörden oder dank des Einsatzes von Einzelpersonen bestattet wurden, so wurde dennoch die Mehrzahl ohne Grabstätte dort hinterlassen, wo sie zu Tode gekommen waren.

Der 11. November: Gedenktag

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Des canons allemands sont traînés, le 11 novembre 1918, sur la place de l'Opéra et les boulevards, au milieu des farandoles.
Warum zählt der 11. November heutzutage zu einem der wichtigsten Gedenktage Frankreichs?
Der 11. November ist zum Gedenktag geworden, um sich an den Waffenstillstand von 1918 zu erinnern, der das Ende des Ersten Weltkrieges (1914 - 1918) einläutete.

Der Zug, in dem der Waffenstillstand am 11. November 1918 unterzeichnet wurde. Quelle: Sammlung SHD

Kriegsreporter

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Zusammenfassung

    Zusammenfassung

    DATUM: Februar (1) und Mai (2) 1915

    ORT: Frankreich

    AUSGANG: Gründung der Filmabteilung der Armee (1) und der Bildabteilung der Armee (2)

    Die einzigen Bilder, die uns von der Front des Ersten Weltkriegs erreichen, sind jene, die von Armeefotografen gemacht wurden. Zivilen Fotografen ist die Berichterstattung nicht gestattet. Auch hundert Jahre später zeigen diese „Bildsoldaten“, an der Seite von zivilen Reportern, noch das Engagement  ihrer Kameraden im Einsatz auf.

    Seit über einem Jahrhundert berichten Armeefotografen und -Kameramänner mit den ihnen zur Verfügung gestellten technischen Mitteln und der ministeriell verordneten Kommunikationsleitlinie anhand von Bildzeugnissen über die Konflikte, die ihre Zeitgenossen geprägt haben und auch unsere heutige Zeit noch immer prägen. Durch die Verbreitung in den verschiedenen Medien, von der Schriftpresse bis hin zum Internet, haben ihre Nachrichtenbilder an der Darstellung unsere modernen Zeitgeschichte mitgewirkt, aber auch an dem Erhalt der Erinnerung an den Einsatz der Soldaten. Obwohl sich die französischen Militärbehörden für die technischen Fortschritte in der Fotografie, die in den 1830er Jahren aufkommen, interessieren, setzen sie diese nicht sofort als Hilfsmittel zur Darstellung der Strategie und Ausbildung der Truppen ein. Im Jahr 1895 entwickeln die Brüder Lumière den Kinematografen, ein Gerät, das Kamera und Filmprojektor in einem ist.

    1915 stattet sich die Ersten Weltkrieg am Ersten Weltkrieg beteiligte französische Armee wie auch die deutsche Armee mit zwei speziellen Organisationen aus, die mit den Bild- und Videoaufnahmen ihrer Einsätze beauftragt sind: die Filmabteilung der Armeen und die Bildabteilung der Armeen. Von nun an verwenden die Militärbehörden diese Hilfsmittel ohne Unterlass, um sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten Filme und Fotografien zu drehen bzw. zu erstellen, die dabei helfen, ihre Reden zu untermauern und ihre Geschichte zu schreiben.

     

    interdite samama chikli

    Verbotenes Bild: deutscher Gefangener zwischen französischen Soldaten im kleinen Ort „La Fauvette“, in der Region Talou im Département Meuse, 20. August 1917.
    © Albert Samama-Chikli / ECPAD / Verteidigung

     

    AN DER FRONT DES ERSTEN WELTKRIEGS

    Im Mai 1915 folgen drei französische Ministerien (die Ministerien für Krieg, für auswärtige Angelegenheiten und für öffentliche Bildung und schöne Künste) dem Beispiel des Feindes und rufen gemeinsam die Bildabteilung der Armeen (Section photographique des armées – SPA) ins Leben. Die Fotografen sind entweder Zivilpersonen, die zum Militärdienst einberufen werden und für ein dem Arbeitgeberverband für Fotografie angehörendes Fotografieunternehmen arbeiten, oder aber Soldaten. Die parallel gegründete Filmabteilung der Armeen (Section cinématographique des armées – SCA) vereint Kameramänner aus vier großen französischen Unternehmen, die Filme über das Zeitgeschehen drehen: Gaumont, Pathé, Éclair und Éclipse.

    Nach dem Zusammenschluss der beiden Abteilungen in eine einzige Bild- und Filmabteilung der Armeen (Section photographique et cinématographique des armées - SPCA) wird das Kriegsministerium im Jahr 1917 alleiniger Produzent und Anbieter Die Abteilung hat drei Aufgaben: Bilder für die Propaganda beschaffen, insbesondere anhand von Nachrichtenmagazinen, Geschichtsarchive erstellen und die Militärarchive versorgen. An der Front arbeiten Fotografen und Kameramänner eng zusammen. Ihre Tätigkeiten werden streng überwacht. Sie reisen nur auf Anordnung des Kriegsministeriums oder des Hauptquartiers und werden an der Front von einem Offizier des Generalstabs betreut. Der Fotograf oder Kameramann muss seine gesamte Ausrüstung tragen, d. h. die Kamera oder den Fotoapparat, das Stativ, Spulen aus Cellulosenitrat oder Glasplatten. Diese erschwerten Filmbedingungen, in einem streng bewachten Rahmen und mit sperriger und schwerer Ausrüstung, erklären, warum die Abteilung vor allem die Seiten neben dem eigentlichen Kampf filmt: die Beförderung der Truppen oder der Artillerie, die Verletzten, die Gefangenen, die Quartiere. Die Front und die Verletzten werden erst nach einem Sieg der Franzosen gezeigt.

     

    kanova
    Germaine Kanova, Fotografin der SCA, mit einer Rolleiflex ausgerüstet, Baden-Württemberg, 11. April 1945.

    © ECPAD/Verteidigung
     

    Zu Kriegsbeginn wird die Ausrüstung der zivilen Produktionsfirmen verwendet, anschließend werden Kameras gemietet. Die Fotografen und Kameramänner senden ihre Negative an die Produktionsfirma, zu der sie angehören und die für das Abziehen und Entwickeln und der Filme verantwortlich ist. Die zusammengetragenen Filmabzüge mit Kommentaren auf Karten sowie die mit Legenden versehenen Fotografien werden dem militärischen Zensurausschuss vorgelegt. Darstellungen von Tod und von Verletzten, die regelmäßig von Fotografen und Kameramännern wie Pierre Marchard oder Albert Samama-Chikli festgehalten werden, verbietet der Zensurausschuss, um den Gemütszustand der Bevölkerung nicht zu belasten. Die Fotografen und Kameramänner der SPCA interessieren sich für alle Aspekte des Ersten Weltkriegs, jedoch wird die Verbreitung ihrer Bilderzeugnisse strengstens überwacht. Nicht all ihre Aufnahmen sind zur Veröffentlichung gedacht, allerdings sollen sie allesamt in die Archive aufgenommen werden. Die Zensur findet also bei der Veröffentlichung statt.

    In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, insbesondere während des Spanischen Bürgerkriegs, kommen immer mehr zivile Kriegsreporter wie Robert Capa oder Gerda Taro zu Tage. In einer Zeit, in der die illustrierte Presse einen großen Aufschwung erlebt, ist die politische Auswirkung der veröffentlichten Fotos auf die öffentliche Meinung deutlich zu spüren. Die Pressefotografen sind sich dieser Dimension bewusst und versuchen dank technischer Entwicklungen im Bereich der Bildaufnahmegeräte immer näher an das Geschehen heranzukommen. Dennoch bleibt das Risiko dabei bestehen, insbesondere aufgrund des eingeschränkten Sichtfeldes, wenn sie Auge ans Objektiv legen. Trotzdem schrecken sie nicht davor zurück, ihr Leben für ihre Aufnahmen aufs Spiel zu setzen. Im Jahr 1937 unterliegt Gerda Taro ihren Verletzungen, nachdem sie von einem Panzer überrollt wird.

     

    "HAUTNAH AN DEN SOLDATEN"

    Die gegeneinander kriegführenden Länder des Zweiten Weltkriegs Zweiten Weltkriegs sind sich der Herausforderung bewusst, die Fotografie und Film für ihr Erscheinungsbild darstellen. Daher setzen sie die beiden Medien zugunsten der Kriegsanstrengungen kunstvoll inszeniert als unerbittliche psychologische Waffe im Dienste der Propaganda ein. Seiten Frankreichs wirkt sich das Nebeneinander zweier Regierungen, die beide die Rechtmäßigkeit für sich beanspruchen, auch in den Bildern aus. Offizielle Einsatzgruppen sind nicht nur in Vichy (angegliedert an das Generalkommissariat für Information) , sondern auch in London und Algier (mit dem Amt für Information durch den Film) aktiv. Ab 1944 begleiten Fotografen und Kameramänner die Befreiungsarmeen in Metropolitan-Frankreich und stehen den Schrecken des Krieges gegenüber. So macht Germaine Kanova Fotos, die Abdrücke von Realismus und tiefem Humanismus sind und die Würde gebeutelter Menschen in einer durch die vielen Kriegsjahre zerstörten Umgebung betonen. Jacques Belin hingegen folgt dem Ansturm der Soldaten, ergreift die Kampfdynamik und verewigt die Kriegsteilnehmer.

     

    liberation alsace
    Soldaten des 1. RBFM und des 2. DB an Bord eines Jeeps bei der Einnahme Straßburgs, in der Nähe der Eisenbahnbrücke im Stadtviertel Montagne Verte, November 1944.

    © Jacques Belin/Roland Lennad/ECPAD/Verteidigung

     

    Der Zweite Weltkrieg erweckt bei den Kriegsreportern den Willen, die Soldaten hautnah zu verfolgen. In der Nachkriegszeit sollen Foto und Film zum Aufbau einer Identität der nationalen Verteidigung beitragen. Zur gleichen Zeit werden Berichterstatter nach Indochina Indochina geschickt, um die Zustimmung der Nation für einen weitentfernten Krieg zu erlangen. Sie haben insbesondere die Aufgabe, das Feindbild zu zeigen. Aber diese Richtlinien sind nur schwer zu befolgen, so wie es auch für Paul Corcuff der Fall ist. Er wird ab Juni 1944 in den Dienst genommen und geht im Jahr 1949 nach Indochina, wo er die Militäreinsätze hautnah begleitet und so die Rückzüge miterlebt, die Lebensbedingungen sowie die allgemeine Erschöpfung der Soldaten teilt. Er verfolgt die Realität des Kampfes von innen, ist aber von dem Presse- und Informationsdienst (Service presse information - SPI) beauftragt, der der Propagandaeinheit der Armeen angehört. Auch der Armeefotograf Pierre Ferrari bemüht sich stets darum, möglichst nah am Geschehen zu sein. In der Hitze des Gefechts macht er Bilder, die weder vor dem Kampf noch vor dem Tod zurückschrecken.

    Jedoch beherrscht keiner der beiden die künftige Entwicklung seiner eigenen Bilder, denn vor ihrer Veröffentlichung in der internationalen Presse unterliegen sie der Informationskontrolle. Diese Vorgehensweise, die später während des Vietnamkriegs zum Credo vieler Pressefotografen wie Henri Huet wird, stößt an eine Schwierigkeit, nämlich das sperrige und für solche Aufträge wenig geeignete Material (wie die Rolleiflex 6x6). Die Filmkamera Arriflex, die insbesondere von Pierre Schoendoerffer, aber auch schon von den Kameramännern im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde, verfügt lediglich über drei Minuten Betriebslaufzeit. Zudem sind die Filmrollen sehr kurz. Der Kameramann muss also Ladegeräte, Filmrollen und Ersatzbatterien mitnehmen, das heißt mehr als 20 kg Material. Aufgrund dieser schweren Ausrüstung filmen die Kameramänner nicht zufällig darauf los, sondern machen kurze aber überlegte Schnitte, die heute die typischen Kriegsbilder ausmachen (Fallschirmjäger, Dien Bien Phu usw.).

    Die Fotografien der Armeejournalisten geben die Realität im Einsatzgebiet wieder. Die redaktionelle Entscheidung muss jedoch in eine umfassendere Kommunikationsstrategie Frankreichs eingebunden werden. Tatsächlich tragen die Bilder der Militäroperationen in Indochina in einer angespannten internationalen Lage den eigenen Kommunikationszielen der französischen Regierung Rechnung. Zwar bekommen die zivilen Kriegsreporter die Lasten der politischen Kommunikation weniger zu spüren, jedoch kommen die Militärreporter, zum Teil ehemalige Kämpfer, umso leichter hautnah an die Kämpfe heran.

    Nach Indochina ist die französische Armee in Algerien Algerien im Einsatz. Das Verteidigungsministerium meidet bei diesem Konflikt die großangelegte Verbreitung von Bildern über die Militäroperationen. Im Einsatzgebiet setzt das Generalgouvernement Algeriens auf örtliche Maßnahmen, wie Flugblätter und Lautsprecher (unter Anordnung des 5. Büros, beauftragt für psychologische Kriegsführung). Die Nebenstelle des SCA in Algerien wird so strukturiert und bemessen, dass der wachsenden Nachfrage an aktuellem Bildmaterial nachgekommen werden kann. Die Abteilung profitiert von einem nahezu exklusiven Monopol bei der Herstellung von sogenanntem „einsatzbereitem“ Bildmaterial für Presseorgane und die Welt des Militärs. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Bilder von Gefangennahmen oder psychologischen Maßnahmen (organisiert von dem 5. Büro) gegenüber der Zivilbevölkerung. In dieser Zeit hebt sich ein Fotograf besonders ab: Marc Flament, persönlicher Fotograph des Oberstleutnants Bigeard. Er nimmt an allen Operationen der Männer des 3. kolonialen Fallschirmjägerregiments (régiment de parachutistes coloniaux – RPC) teil und verewigt die Fallschirmjäger und Kommandotruppen in ästhetisch dargestellten Bildern, die die Soldaten zu Helden werden lassen. Seine Bilder, die nicht im Rahmen des 5. Büros angefertigt werden und der institutionellen Zensur entkommen, spiegeln die Härte des Konflikts wider.

     

    DIE ZEIT DER AUSLANDOPERATIONEN

    Die Hauptaufgabe der Militärreporter besteht vielmehr darin, Imagefilme zur Anweisung und Information herzustellen und so folgen sie den Armeen sowohl in Friedenszeiten als auch bei internationalen Kriegen. In der Tat nehmen die Reporterteams der Film- und Fotoeinrichtung der Armee (Établissement cinématographique et photographique des armées – ECPA) an den Auslandsoperationen Auslandsoperationen in Kolwezi, im Libanon Libanon oder im Tschad teil. Die französische Armee ist nun an internationalen internationalen Operationen beteiligt und bald finden ihre Einsätze nur noch unter UNO- oder NATO-Mandat statt.

    Das fotografische und audiovisuelle Material wird noch moderner. So gewinnen die Reporter an Selbstständigkeit und Freiheit. Sie arbeiten sowohl in Farbe als auch in Schwarz und Weiß. Ab den 1980er Jahren genießen die Armeereporter eine gewisse Freiheit, dem Beispiel François-Xavier Rochs folgend, der vielmehr als nur die Maßnahmen der französischen Armeen im Libanon verewigt und sich dem Fotojournalismus verschreibt. Dennoch sind die Armeereporter in erster Linie Soldaten und neigen somit mit Sicherheit zur Selbstzensur, auf dem Schamgefühl im Verhältnis zwischen Waffenbrüdern beruhend. Pierre Schoendoerffer wollte beispielsweise nie den Todeskampf eines Soldaten filmen. Beim Anschlag auf den Stützpunkt Drakkar Anschlag auf den Stützpunkt Drakkar in Beirut am 23. Oktober 1983, bei dem 58 französische Fallschirmjäger ums Leben kommen, entschließt sich Joël Brun, Fotograf der ECPA vor Ort, die ersten Stunden des Dramas nicht zu filmen. Er wartet bis zum nächsten Tag, um die Suchaktion abzulichten und wie ein Angestellter des Erkennungsdienstes vorzugehen, indem er die Identifizierung der Opfer und die Beschaffung der Erkennungsmarken zeigt. So werden der erste Schock und das Entsetzen der Soldaten nicht dargestellt.

     

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    Der Fotograf Marc Flament, Algerien.
    © Arthur Smet/ECPAD Collection Smet

     

    Im Laufe der 1970er und 1980er Jahre verschicken Fotografen und Kameramänner ihre Filmrollen und -dosen zur Auswertung an den Hauptsitz im Fort d‘Ivry. Die Bilder werden folglich erst mit einer gewissen Zeitverzögerung veröffentlicht. Zu Beginn der 1990er Jahre revolutioniert die Satellitenübertragung von analogen Videos über die Inmarsat-Antenne die Vorgehensweise. Während des Golfkriegs Golfkriegs verschicken die Kameramänner sofort ihre Aufnahmen über die Maßnahmen und den Durchbruch der Alliierten in Saudi-Arabien und im Irak. Nach der Freigabe durch den Generalstab ermöglicht diese Weiterentwicklung eine schnelle Fernsehübertragung. In den Folgejahren bleibt dieses Übertragungssystem weiterhin teuer und die benötigte Ausrüstung schwer (10 kg), aber die Reporter der französischen Armee haben so die Möglichkeit, fast per Liveübertragung über den Einsatz der französischen Streitkräfte im Kampf oder gegenüber der Zivilbevölkerungen in Ruanda, im ehemaligen Jugoslawien ehemaligen Jugoslawien oder auch im Kosovo zu berichten, um anhand aktueller Themen die Zustimmung der Franzosen zu erlangen. Bis ins erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts hinein kommt es zugleich immer noch vor, dass Reporter ihre Filme Personen anvertrauen, die sie nach Frankreich bringen sollen, wie zum Beispiel Piloten.

    Seit Beginn des neuen Jahrtausends wird die Analogtechnologie durch die Digitaltechnologie ersetzt. Die ECPAD, die Delegation für Information und Kommunikation der Verteidigung (Délégation à l’information et à la communication de défense – DICoD) und der Dienst für Information und Öffentlichkeitsarbeit der Armeen (Services d’information et de relations publiques des armées - SIRPA) entsenden Fotografen, Kameraleute, Tontechniker und Journalisten (zivile und militärische) in die Einsatzgebiete. Nach Freigabe durch den Generalstab der Armeen (état-major des armées - EMA) können sie ihre Produktionen fast ohne Verzögerung veröffentlichen und schriftliche Presseartikel für Armeezeitschriften oder zur externen Nutzung (zum Beispiel audiovisuelle Medien) verfassen.

    Der technische Aspekt stellt nicht die einzige Einschränkung im Einsatzgebiet dar. Die Reporter müssen zum Teil den Befehlen und Zielvorgaben des militärischen Kommunikationsberaters vor Ort folgen. Ihre Produktionen unterliegen also den Offizieren für Kommunikation. Zwischen 2003 und 2005 fertigen sie an der Elfenbeinküste weniger Archivbilder an, sondern vielmehr Beweisbilder und Bilder zum aktuellen Tagesgeschehen.

    Dieser Fokus auf ein bestimmtes und eingegrenztes Thema lässt vermuten, dass die Armeen die Gegenseite nicht sehen, aber ermöglicht es auch Bilder zu machen, die bestimmte Eigenschaften ganz genau darstellen: die Kamera verfolgt die Soldaten hautnah, insbesondere dann, wenn die Kameras und Fotoapparate der Ziviljournalisten seltener Bilder einfangen können. Somit werden die Aufnahmen für beide Seiten zu Waffen, insbesondere bei asymmetrischen Kriegen. Dabei spricht man vom sogenannten Combat Camera Team.

     

    "ECHTE SOLDATEN"

    Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts kommt es auch zu einer Weiterentwicklung hinsichtlich der in Kriegsreportagen behandelten Themen. In Afghanistan Afghanistan zeigen die Reporter zum Beispiel die Hauptaufgaben, denen sich die französische Armee widmet. Jedoch werden weder Kriegsgefangene noch die Toten seitens der Gegner fotografiert, damit dieses Thema nicht zu Propagandazwecken ausgenutzt werden kann. Die französische Armee nimmt externe Journalisten mit, die die Vorschriften der Offiziere für Kommunikation befolgen müssen. Die Bild- und Filmberichterstattung über Zeitgeschehen in Verbindung mit dem Kampf gegen den Terrorismus erfordert eine andere Vorgehensweise. So ist es der Fall in der Sahelzone, in der Frankreich seit 2013 einschreitet. Zu Beginn des Eingriffs dürfen nur offizielle Fotografen die Operationen verfolgen. Zum einen aufgrund der Befürchtungen des Generalstabs, dass Journalisten als Geiseln genommen werden könnten, zum anderen zum Schutz vor einem unkontrollierbaren Kommunikationsfluss bezüglich der Militäroperationen. Seit dem Ausbruch der Feindseligkeiten sind daher nur Bilder von den Vorbereitungen und der Logistik zu sehen, weshalb die Operationen in der Sahelzone in Mali in der Welt des Journalismus als bilderloser Kampf bezeichnet werden. Die Fotografien der ECPAD, Aufnahmen hautnah an den Soldaten, werden erst nach den ersten Operationen veröffentlicht, als es für die Journalisten kaum noch möglich ist, diese direkt mitzuverfolgen. Im Kampf gegen den Terrorismus führt die Kontrolle über das Bildmaterial, von der Herstellung bis hin zur Veröffentlichung, zu einem ganz neuen Krieg, insbesondere in den neuen Medien.

    In Afghanistan und in Mali werden die Reporter erneut Zeugen direkter Anschläge gegen die französischen Soldaten. Aus diesem Grund tragen die Reporter seit einigen Jahren zusätzlich zu ihrer Film- und Fotoausrüstung Handfeuerwaffen mit sich. In der Tat können sie gegebenenfalls dazu angehalten sein zu schießen, um ihre Waffenbrüder zu verteidigen. Sie sind eigenständige Kämpfer und gehen dieselben Risiken wie die anderen Soldaten ein, wie uns der Tod des Feldwebels Sébastien Vermeille in Erinnerung ruft: Er stirbt am 13. Juli 2011 in Afghanistan als Fotograf von Sirpa Terre Lyon. Zu seinen Ehren ruft die Delegation für Information und Kommunikation der Verteidigung des Verteidigungsministeriums den „Prix Sergent Vermeille“ ins Leben. Ziel dieses Preises ist die Förderung der zivilen und militärischen Berufsfotografen, die die Männer und Frauen des Verteidigungsministeriums im Einsatzgebiet bei Auslandsoperationen oder nationalen Einsätzen begleiten.

     

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    Paul Corcuff, Fotograf des SPI (Presse- und Informationsdienst), mit seiner Rolleiflex um den Hals bei der Operation „Mouette“ in Indochina, 23. Oktober 1953.
    © ECPAD/Verteidigung

     

    Seit hundert Jahren begleiten die Bilder der Kriegsreporter als Zeugnisse, Beweise und Informationsmaterial die Kommunikation der Verteidigung und werden seit Beginn der ersten Einsätze archiviert. Darüber hinaus dienen sie neben ihrem pädagogischen, kulturellen und wissenschaftlichen Aspekt heute auch der Gedächtnispolitik, die seitens des Verteidigungsministeriums betrieben wird. Die anhand dieser Bilder erarbeiteten Ausstellungen, audiovisuellen Produktionen und Veröffentlichungen legen die Geschichte der zeitgenössischen Auseinandersetzungen offen dar und würdigen die Akteure und Opfer dieser Konflikte. Die Bildbestände sind insbesondere wichtige Hilfsmittel zur Erarbeitung pädagogischer Maßnahmen, durch die die Schüler dazu angeregt werden, sich mit den Archivdokumenten auseinanderzusetzen und den Begriff des Einsatzes, insbesondere im aktuellen Kontext, zu hinterfragen. Somit trägt die über hundertjährige Arbeit der Kriegsreporter zur Erinnerungsarbeit der Französinnen und Franzosen, insbesondere der jüngeren Generationen, bei.

     

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    Die Helfer in den Ruinen des Gebäudes Drakkar in Beirut, nach dem Anschlag vom 23. Oktober 1983.
    © Joël Brun/ECPAD/Verteidigung

    Autor

    Constance Lemans-Louvet – Dokumentationsbeauftragte der ECPAD

    1918, der Krieg ist zu Ende

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    Zusammenfassung

      Zusammenfassung

      DATUM: Montag, 11. November 1918

      ORT: Lichtung von Rethondes, im Wald von Compiègne

      AUSGANG: Unterzeichnung des Waffenstillstands zum Ende des Ersten Weltkriegs

      TEILNEHMENDE LÄNDER: Frankreich, Großbritannien, Deutschland

      Mit dem Waffenstillstand am 11. November 1918 beginnen komplizierte Zeiten, in denen der Kriegsaustritt von vier Millionen Soldaten in Gang gebracht wird. Zunächst muss ihre Demobilisierung, das heißt ihre Heimkehr, organisiert werden. Manche, insbesondere Soldaten aus den Kolonialgebieten, warten bis Ende 1919 auf ihre Demobilisierung.

      Die Erfahrung der Demobilisierung nach dem Krieg von 1914–1918 ist außergewöhnlich wegen ihres Ausmaßes, aber auch wegen der vielfältigen Situationen der betroffenen Personen, die nicht nur aus Metropolitan-Frankreich, sondern auch aus Übersee, das heißt aus den ehemaligen Kolonien, stammen. Sie sind Soldaten, aber auch Arbeiter und Arbeiterinnen, die für die Kriegsführung eingestellt worden waren.

      Nach Verkündung des Waffenstillstandes Waffenstillstandes ist die Aussicht auf Heimkehr für vier Millionen Mobilisierte der französischen Armee (davon vielleicht 300.000 Soldaten aus den ehemaligen Kolonien) sicherlich der größte Grund zur Freude für die Soldaten und ihre Familien. Die Regierung ist sich dieser Sehnsucht bewusst. Aber bis zur endgültigen Unterzeichnung des Friedensabkommens Friedensabkommens, das dem geschlagenen Deutschland auferlegt wird, möchte sie eine starke Armee beibehalten. Doch zu dieser Unterzeichnung kommt es erst am 28. Juni 1919 mit dem Friedensvertrag von Versailles. Andere internationale Beunruhigungen (Mittel- und Osteuropa, Russland und der Nahe Osten) rufen zu Wachsamkeit auf.

      Ein demobilisierter Soldat probiert den sogenannten „Abrami“-Anzug an, Paris, Militärschule, 13. Februar 1919

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      © © Joly/ECPAD/Verteidigung

       

      DIE DEMOBILISIERUNG ORGANISIEREN

      Die Entlassung der Soldaten ins Zivilleben verläuft also zeitlich gestaffelt, wobei den Älteren der Vorzug gegeben wird. Ab Ende November können somit die ältesten Männer (49–51 Jahre) heimkehren. Die Männer zwischen 32 und 48 Jahren werden von Dezember bis April ebenfalls nach Hause geschickt. Zu diesem Zeitpunkt sind die alliierten Machthaber besorgt über die von Deutschland geäußerten Vorbehalte hinsichtlich der als zu schwer eingeschätzten Bedingungen. Deshalb ziehen sie ganz klar einen militärischen Einsatz in Betracht, um die Besiegten zur Unterwerfung zu zwingen.

      Das Demobilisierungsverfahren wird also unterbrochen. Die Altersklasse, die die Reserve der aktiven Armee darstellt, das heißt Soldaten unter 32 Jahren, werden weiterhin bis Juli 1919 zum Wehrdienst verpflichtet. Zwar wurden bis dahin bereits eine Million Soldaten demobilisiert, dennoch zählt die französische Armee immer noch 2,5 Millionen bewaffnete Männer gegenüber mehr als vier Millionen am 11. November 1918. Schließlich geht die Demobilisierung weiter und wird bis September in vier Stufen unterteilt. Erst am 14. Oktober 1919 wird der Erlass zur allgemeinen Demobilisierung unterzeichnet, der den berühmten und traurigen Mobilisierungserlass vom 1. August 1914 aufhebt. Die Rücksendung derer, die aus den Kolonien stammen, erfolgt auf die gleiche Art und Weise. Allerdings sind viele einen Vertrag für die gesamte Kriegsdauer eingegangen, in dem vereinbart wurde, dass die Demobilisierung erst sechs Monate nach Kriegsende erfolgt, das heißt frühestens im Mai 1919, wenn man den Tag des Waffenstillstands als Stichtag nimmt. Im September 1919 bleiben noch 15.000 „indigene“ Soldaten in Frankreich, davon 13.000 aus Indochina, vor allem Vietnamesen und hauptsächlich Krankenpfleger und Fahrzeugführer. Sie kehren zwischen September und November in ihre Heimat zurück.

      Ärztliche Untersuchung eines demobilisierten Soldaten, Paris, Militärschule, 13. Februar 1919

      visite medicale

      © © Joly/ECPAD/Verteidigung

      Diese stufenweise Demobilisierung wird nur selten von den Betroffenen geschätzt, auch wenn sie manchen von ihnen eine schöne Erinnerung von der Teilnahme an der Parade des 14. Juli 1919 unter dem Triumphbogen bietet. Sie zieht eine gewisse Unordnung in der Zusammensetzung der Einheiten nach sich, denn diese müssen nach der Rückkehr einiger Soldaten untern ihnen neu eingeteilt werden. Überdies neigt die Disziplin zu kippen, da das Ende der deutschen Bedrohung für die bürgerlichen Soldaten nicht mehr die Anwendung der Verordnungen rechtfertigt, denen sich die Mehrheit mit stiller Empörung unterworfen hatte und denen sie immer noch mit regem Unmut gegenüberstehen. Für die Demobilisierten verläuft der Austritt aus der Armee nicht immer ohne Schwierigkeiten. Dabei ist das Verfahren einfach: eine ärztliche Untersuchung, die Aktualisierung der militärischen Unterlagen und die anschließende Überlieferung ins Demobilisierungslager, das heißt das Lager des Regiments, dem der Betroffene angehört. Aber häufig gibt es Randale, insbesondere bei den Bahntransporten: Um gegen die langsamen Züge und die unbequemen Wagons zu protestieren, schlagen die Soldaten Fenster oder Türen ein. Im Lager in Saint-Raphaël kommt es zu Demonstrationen seitens der senegalesischen Infanteristen, die bei einer Heerschau einen General beiseitestoßen und lauthals ihre Heimkehr fordern. Es sei erwähnt, dass sich die Rückführung der Soldaten aus Übersee aus Mangel an Schifffahrtsmöglichkeiten noch schwieriger gestaltet.

       

      DIE ARMEE VERLASSEN, NACH HAUSE ZURÜCKKEHREN

      Die ersten Rückkehrten stellen sich häufig als Ernüchterung heraus. Tatsächlich wird den rückkehrenden Männern seitens der Obrigkeit nur Gleichgültigkeit geschenkt, es findet keinerlei Willkommenszeremonie statt. Als Ersatz für ihre in der Kaserne gebliebenen, zurückgelassenen oder kaputten Kleidungsstücke erhalten sie lediglich einen schlecht geschnittenen Anzug (den sogenannten „Abrami“, nach dem Namen des Unterstaatssekretärs Léon Abrami benannt), oder, wenn sie diesen ablehnen, die lächerliche Summe von 52 Francs, heutzutage vermutlich 50 Euro. Sie werden sogar vom Finanzamt aufgefordert, ihre Steuerrückstände zu begleichen, deren Stundung in der Tat auf das Kriegsende festgelegt wurde. Erst ab März 1919 werden einfühlsamere Maßnahmen eingeführt, um diesen Ungeschicklichkeiten abzuhelfen: Wiedereinführung der Steuerstundung, Auszahlung einer Demobilisierungszulage, die nach einer angemesseneren Skala berechnet wird (250 Francs plus 20 Francs pro Einsatzmonat an der Front), Gesetz zur Rentenzahlung an Kriegsinvaliden oder an die Familien gefallener Soldaten. Auch der Empfang hat sich verändert.

      Heerschau der Spahis bei den Siegesfeiern in Paris, 14. Juli 1919

      défilé

      © © Albert Harlingue / Roger-Viollet

      Nach Unterzeichnung des Versailler Vertrags Versailler Vertrages wird die Rückkehr der Regimente in ihren Stützpunkt von nun an gefeiert: Die Festlichkeiten beginnen in den beflaggten und mit Blättern verzierten Straßen mit einer Heerschau der Soldaten, die von ihren Landsleuten viel umjubelt werden. Die Emotionen sind umso größer, da viele der marschierenden Soldaten trotz der Verteilung unter die verschiedenen Regimente während der Gefechte immer noch Kinder sind. Nach der Parade werden manchmal, jedoch nicht immer, verschiedene Festlichkeiten veranstaltet (Konzerte, Bälle, Feuerwerke, Fackelzüge). Doch auch diese Festlichkeiten, sofern sie denn stattfinden, können weder die große Trauer verbergen, die über Jahre hinweg von der Anwesenheit der Verstümmelten ausgeht, noch die der Witwen und Familien, deren schwarze Kleidung an all diejenigen erinnert, die nie wieder zurückkommen werden.

      Die Demobilisierten müssen sich zudem deutlich bemühen, um sich wieder anzupassen. Mehrere Jahre, manchmal sogar fünf Jahre, lebten sie mit ihren Kameraden zusammen, weit weg von ihren Familien und abgeschnitten von der zivilen Welt, mit Ausnahme der seltenen Fronturlaube. Zunächst müssen sie wieder Arbeit finden. Auch wenn ein Gesetz aus dem Jahr 1918 die Arbeitgeber dazu verpflichtet, ihre ehemaligen Arbeiter oder Angestellten wieder einzustellen, sind diese nicht mehr unbedingt im Betrieb und können sie somit nicht zurücknehmen. Außerdem müssen sie eine ganze Reihe an Verwaltungsverfahren auf sich nehmen, die langwierig sind und als demütigend empfunden werden, um so die ihnen zustehenden Entschädigungen zu erlangen. Aber es geht nicht nur darum, Arbeit zu finden. Der freie Mann, dessen Alltag bis dahin durch die Armee bestimmt wurde, hat ganz vergessen, wie er seinen Lebensrhythmus gestalten, selbst für sich sorgen, sich ernähren und kleiden soll. Insbesondere das Familienleben muss neu gestaltet werden, mit Ehefrauen, die wohl oder übel die Aufgaben des Familienoberhaupts übernommen haben, und Kindern, die für lange Zeit ihren Vater nicht gesehen oder gar niemals kennengelernt haben. Ehepaare sind auseinander gegangen oder trennen sich und Scheidungen sind wesentlich häufiger als vor dem Krieg.

      Aus Deutschland heimkehrender französischer Gefangener, November 1918

      prisonniers

      © © Maurice-Louis Branger/Roger-Viollet

      Schließlich sind die Demobilisierten der Ansicht, dass sie ihre Erfahrungen nicht mit jenen teilen können, die nicht die gleichen Leiden, die gleichen Ängste, die gleiche Einsamkeit wie die Kameraden ertragen mussten. Jedoch findet ein Teil der sechseinhalb Millionen Veteranen (etwa einer von zwei Erwachsenen) in Vereinen die Möglichkeit, ihre Solidarität und ihre Forderungen  innerhalb der französischen Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen. Ihre Gemütszustand wird vor allem durch den Stolz, „durchgehalten“ zu haben, charakterisiert, indem sie die Stellung gehalten haben, so wie in Verdun Verdun, um die deutschen Truppen vor dem Eindringen ins Land zu hindern. Ihre Pflicht erfüllt zu haben verleiht ihnen wesentlich mehr Zufriedenheit als die Verherrlichung der kämpferischen Errungenschaften, auch wenn nicht alle vollkommen unempfänglich dafür sind. Je weiter der Krieg zurückliegt, desto stärker entwickelt sich in ihnen ein sehr friedfertiger, ja sogar pazifistischer Patriotismus, der sich vor allem in der Verurteilung des Krieges und allem, was ihn erleichtert, ausdrückt: insbesondere Militarismus, Verherrlichung des kämpferischen Heldentums, ja sogar, in machen Extremfällen, Ruhm, der den Tod der Knechtschaft vorzieht.

       

      WELCHES SCHICKSAL FÜR DIE ANDEREN „MOBILISIERTEN“ DES KRIEGES?

      Das Kriegsende betrifft auch andere Soldaten. Die französischen Gefangenen französischen Gefangenen, die auf etwa 500.000 geschätzt werden, können sofort nach dem Waffenstillstand die Lager verlassen. Viele von ihnen ergreifen die Initiative, mit eigenen Mitteln heimzukehren, nicht ohne Schwierigkeiten. Die französischen Behörden übernehmen die Repatriierung der anderen. Der Großteil kann in nur zwei Monaten, von Mitte November 1918 bis Mitte Januar 1919, heimgebracht werden. Seitens der Behörden und Öffentlichkeit kommt ihnen Gleichgültigkeit entgegen, als seien die Bedingungen dieser ehemaligen Soldaten eine Entehrung, obwohl sich die meisten nicht als unwürdig erwiesen haben. Die Gesetzgebung setzt sie im Übrigen in Bezug auf die ihnen zustehenden Entschädigungen mit den anderen Veteranen gleich.

      Die Demobilisierung der Elsässer und Lothringer aus den seit 1871 ins Deutsche Reich eingegliederten Gebieten, die in der kaiserlichen Armee gedient haben (250.000 Soldaten über die gesamte Kriegsdauer),verläuft aus verständlichen Gründen genauso unauffällig. Um dem Unverständnis und den Ungerechtigkeiten entgegenzutreten, die ihre Situation als Franzosen, die auf Feindesseite gekämpft haben, hervorruft, wird unter der Schirmherrschaft des berühmten patriotischen Schriftstellers Maurice Barrès im Jahr 1920 erstmals ein Verein mit dem Namen „Malgré nous“ („Gegen unseren Willen“) gegründet. Anlässlich der noch weit tragischeren Umstände des Zweiten Weltkriegs kommt er erneut zum Einsatz.

      Viel mehr noch wird die Demobilisierung der Frauen außer Acht gelassen, die während des Krieges dazu aufgerufen wurden, die bis dahin Männern zugeschriebenen Arbeiten in Industrie und Dienstleistung zu übernehmen. Auf Druck der Behörden müssen sie ihre Arbeit aufgeben, um wieder Hausfrau oder Dienstmädchen zu werden (Rundschreiben vom Rüstungsminister Louis Loucheur vom 13. November 1918). Dieser Übergang verläuft ohne viel Aufhebens und hinterlässt kaum Spuren.

      Chinesischer Arbeiter in einer Kriegsmanufaktur, Region Lyon, September 1916

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      © © Piston/Excelsior-L’Équipe/Roger-Viollet

       

      DIE KOLONIALORDNUNG INFRAGE STELLEN ODER AUFRECHTERHALTEN?

      Auch die Heimkehr der demobilisierten Soldaten der Kolonien geht oft mit Feierlichkeiten einher. In einer Ansprache in Algier rühmt General Nivelle General Nivelle, der die in ihre Garnison zurückkehrenden Infanteristen Infanteristen und Zuaven willkommen heißt, „ihren Heldenmut, ihre Bereitschaft zur Aufopferung, an der Marne Marne, in Ypern Ypern, an der Somme Somme, am Chemin des Dames Chemin des Dames, in Verdun Verdun,am Château-Thierry, in der Champagne Château-Thierry, in der Champagne“. Er erinnert daran, dass er ihnen immer einen Ehrenposten zugewiesen hat. Dieser Empfang kommt allerdings nur dem ersten Schub an Rückkehrern zugute, den folgenden wird bei ihrer Ankunft gleichwohl weniger Interesse entgegengebracht. In manchen Fällen scheint es, als würden sich die Obrigkeiten um die Wiedereingliederung der Kämpfer kümmern. So wird den Demobilisierten aus Indochina eine Broschüre ausgeteilt, in der ihnen die Formalitäten zur Geltendmachung ihrer Rechte erklärt werden. Sie unterliegen einer ärztlichen Untersuchung, wobei Kranke und Verletzte in medizinischen Versorgungsstellen behandelt werden.

      Diese Fürsorglichkeit bedeutet allerdings nicht den Verzicht der Überwachung. Immer noch in Indochina wird im September 1917 eine Abteilung für Heimkehrende gegründet, deren Aufgabe darin besteht, Informationen über die „Indigenen“ in Metropolitan-Frankreich zu zentralisieren, sodass eventuelle Probleme, aber auch diverse Abweichungen in den einzelnen Verhaltensweisen, gemeldet werden, die der lokalen Sicherheitsbehörde mitgeteilt werden. Dabei muss erwähnt werden, dass die Ankünfte in manchen Regionen zu Ausschreitungen führen: Im Frühling 1919 kommt es in Dschibuti seitens der demobilisierten Soldaten, von denen sich einige auf den Schlachtfeldern ausgezeichnet haben (insbesondere bei der Übernahme von Douaumont im Oktober 1916), zu Meuterei. Einige geben sich bei der Rückkehr in ihre Lager der Plünderei hin. In der Stadt kommt es zu Ausschreitungen. Ähnliche Tumulte brechen in Französisch-Westafrika aus, insbesondere im Senegal und in Guinea. Jedoch kommt es dabei zu keinen schweren Unruhen. Auch die aus den Kolonien stammenden und für den Krieg eingestellten Arbeiter (deren Zahl auf 200.000 geschätzt wird) kehren größtenteils wieder in ihr Heimatland zurück. Die Obrigkeiten möchten nicht, dass sie vor Ort bleiben. Sie befürchten, sie könnten sich an den revolutionären Ideen anstecken, die sich im französischen Proletariat weit zu verbreiten scheinen. Die Rücksendung durch die Obrigkeiten trifft bei der unzufriedenen Gesellschaft auf demagogische Zufriedenheit, wo doch die von der Front heimgekehrten Soldaten immer noch auf Arbeitssuche sind. Letzten Endes möchten die Verantwortlichen in den Kolonien möglichst schnell alle „indigenen“ Arbeitskräfte zurückerlangen. Sie sind unabdingbar für den Wirtschaftsaufschwung der Gebiete, da ihre Gehälter dank des Drucks der Heimkehrenden auf ein niedrigeres Niveau gebracht werden. Um dem Wiederaufbau in Frankreich entgegenzutreten, wird lieber auf Europäer gesetzt, da sie als effizienter gelten und aufgrund ihrer Arbeitertradition weniger Misstrauen bei den Gewerkschaften hervorrufen. Bei den ersten Aufräumarbeiten an der Front, deren Bedingungen im Übrigen oft sehr schwer und gefährlich sind, beschränkt man sich auf eine kleine Anzahl an Arbeitern aus den Kolonien und China China. Die Kosten der Heimreise wird im Prinzip vom Staat übernommen, aber die Behörden beeilen sich nicht sonderlich, dieser Verpflichtung nachzukommen. Die Vietnamesen kehren erst im Juli 2020 vollständig in ihre Heimat zurück.

      Wie ihre Kameraden aus Metropolitan-Frankreich bringen auch die anderen Veteranen, ob Europäer oder „Indigene“, die Wirklichkeit des Krieges kaum zu Sprache. Manche neigen dazu, Letzteren einen „Fatalismus“ zuzuschreiben, durch den sie den außergewöhnlichsten Ereignissen gleichgültig gegenüberstehen würden, anstatt des Wunsches zu vergessen, der bei den Veteranen sehr weit verbreitet ist. Nach ihrer Heimkehr tragen dieselben „Indigenen“ nicht weniger dazu bei, die Vorkriegsordnung, die von der kolonialen Oberherrschaft, aber auch von den traditionellen Gesellschaften auferlegt wurde, infrage zu stellen. Die Unterwürfigkeit gegenüber ihren eigenen Standespersonen und ihren Ältesten liegt ihnen zur Last.

      Französische Truppen besetzen die Kriegsmitte in Deutschland: Vorposten am Ende der Brücke vor Mannheim, März 1919 Fotografie erschienen in der Zeitung Excelsior am Mittwoch, 5. März 1919

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      © © Excelsior-L’Équipe/Roger-Viollet

      Sie berufen sich auf ihre Eigenschaft als ehemalige Soldaten der französische Armee, um zu versuchen, den Anordnungen der Obrigkeiten zu entkommen. In Französisch-Westafrika prangern die Chefs die Arroganz der Demobilisierten an und beschuldigen sie, während ihrer Dienstzeit faule Angewohnheiten erworben zu haben, die sie zu Straftaten verleiten. Dagegen erfreuen sich viele andere einer großen Anerkennung im Volk, die sie dank ihrer sichtlichen Beherrschung „weißer Umgangsformen“ erwerben: Sie rauchen Tabak, kennen ein paar französische Wörter, können offizielle „Papiere“ zur Schau tragen. In einer Gesellschaft, in der der Krieger großes Ansehen genießt, werden sie für ihre Militäraktionen bewundert. Ihre Demobilisierungsprämie, die ihnen einmalig ausgezahlt und meist in Geschenke investiert wird, verleiht ihnen zumindest zu Beginn ein gewisses Ansehen in einer von frugalem Dasein geprägten Umgebung.

      Außerdem haben einige der Heimgekehrten im Kontakt mit Europa ein neues politisches Bewusstsein und neue Handlungspraktiken erlangt. Ein Veteran, Dorothée Lima, gründet 1920 die erste Zeitung Dahomeys namens Voix du Dahomey. Ein Arbeiter, Tôn Duc Thang, der vielleicht an den Meutereien im Schwarzen Meer beteiligt war, ruft nach seiner Rückkehr aus Frankreich die erste Gewerkschaft Saigons ins Leben. Bei anderen hat die Zeit in der Armee eher eine schon vorhanden gewesene politische Berufung bestätigt, so wie bei dem Lehrer Jean Ralaimongo, der mit 32 Jahren freiwillig in den  Krieg zog und später einer der ersten Anführer der madagassischen Emanzipierungsbewegung wurde, oder der Buchhalter Galandou Diouf, kurze Zeit später senegalesischer Rivale von Blaise Diagne. Man kann sich allerdings die Frage stellen, ob diese Verhaltensweisen bei den Veteranen sehr häufig waren. In der Tat scheint der Großteil unter ihnen nach dem Krieg eher mit dem Wunsch nach Frieden heimzukehren und von den Vorteilen profitieren zu wollen, die ihnen die Regierung zukommen lässt sowie der Anerkennung ihres Umfelds.

      Die europäischstämmigen Veteranen, insbesondere die Franzosen aus Algerien, legen ein anderes Verhalten an den Tag. Auch wenn ihre Mentalität sehr der ihrer Landsleute aus Metropolitan-Frankreich ähnelt, verleiht die Kolonialsituation ihrem Patriotismus einen ganz besonderen Unterton. Ihre Kriegserfahrung, die Waffenbruderschaft, durch die viele von ihnen eine enge Beziehung zu den „Indigenen“ geschlossen haben, die unzähligen Beispiele an Heldentaten und Hingabe durch Letztere, scheinen sich für den Beibehalt der Kolonialordnung auszusprechen, die dieses tadellose Verhalten hervorgerufen hat. Ihre sehr positive Sichtweise auf die ehemaligen Kriegskameraden zieht jedoch kaum die oft sehr schweren Lebensbedingungen oder die Bestrebungen Letzterer in Betracht, nach ihrer Rückkehr ins zivile Leben nicht mehr als „Subjekt“ betrachtet zu werden. Auch wenn jene, die man später „Pieds Noirs“ („Schwarzfüße“) nennen wird, den „Indigenen“ mit mehr Verbundenheit und Achtung gegenübertreten als zuvor, sind sie dennoch nicht bereit, den Forderungen ihrer Vertreter ein offenes Ohr zu schenken. Diese übertriebenen Gefühle von Optimismus werden später durch die beispielhafte Teilnahme der Soldaten aus den Kolonien am Zweiten Weltkrieg noch verstärkt.

      Insgesamt kann die Demobilisierung als gelungen angesehen werden: Die Soldaten wurden ohne Reibereien wieder in das zivile Leben eingegliedert. Die Veteranen Metropolitan-Frankreichs drücken weiterhin ihre Treue an der Republik aus, die durch diese Belastungsprobe noch stärker geworden zu sein scheint. Aber ihre Erwartungen entsprechen den Aufopferungen, die sie gebilligt haben: ein glückliches Leben, aufmerksamere Regierungen. Was die in den Kolonien mobilisierten Männer anbelangt, so trägt der Stolz, gute Soldaten gewesen zu sein, zu den Forderungen nach Würde bei, die wiederum den Wunsch nach Unabhängigkeit nähren.

      Autor

      Jacques Frémeaux – emeritierter Professor der Universität Paris-Sorbonne (Paris-IV), Mitglied der Académie des Sciences d’Outre-mer und emeritiertes Mitglied des Institut universitaire de France.

      Unterricht über Verteidigung

      Aktie :

      Zusammenfassung

        Zusammenfassung

        DATUM : 1997

        ORT : Frankreich

        AUSGABE : Gesetz über die Reform des Militärdienstes. Der Unterricht über Verteidigung wird zu einem Bestandteil des Weges zur Staatsbürgerschaft

        “Die Verteidigung! Sie ist die wesentliche Daseinsberechtigung des Staates. Er würde nicht ohne sie auskommen, ohne sich selbst zu zerstören.“ So drückte sich General de Gaulle in Bayeux am 14. Juni 1952 aus. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 1997 übertrug der Gesetzgeber der nationalen Bildung die Aufgabe, jungen Menschen die wichtigsten Begriffe der Verteidigung und nationalen Sicherheit zu vermitteln.

        Diese Aufgabe, die ursprünglich auf den “Weg zum Bürgersinn“ beschränkt war (Erfassung mit sechzehn Jahren, Unterricht über Verteidigung in der Sekundarstufe I und II, Tag der Verteidigung und der Bürgerrechte), erstreckt sich nunmehr auf die gesamte Schullaufbahn und setzt sich an der Universität fort.

         

        Unterricht über die Verteidigung und nationale Sicherheit bedeutet, sich auf drei Dinge zu konzentrieren. Zuerst die historische Distanz, durch die Verteidigungsfragen über einen längeren Zeitraum betrachtet werden können: von der Bedrohung an den Grenzen zur Bedrohung ohne Grenzen, und damit von der Verteidigung der Grenzen zur Verteidigung ohne Grenzen, von der nationalen Unabhängigkeit zur strategischen Autonomie, von der nationalen Verteidigung (Weißbuch von 1972 über die nationale Verteidigung) zur Verteidigung (Weißbuch von 1994) und zur Verteidigung der nationalen Sicherheit (Weißbücher von 2008 und 2013); dann Frankreich “... inmitten der Völker der Welt“, im Zusammenhang mit Bedrohungen von innen und außen, mit seinen Bündnissen und Einsätzen, Militäroperationen und -aktionen seiner Streitkräfte, mit einem Kontinuum der inneren Sicherheit und der äußeren Sicherheit, dessen Hauptmerkmal der Kampf gegen den Terrorismus ist; und schließlich die Verteidigung als öffentliche Politik, das heißt eine Politik, die entscheidet, Akteure, die sie ausführen, die ihr von der Nation gewidmeten Mittel, unter Analyse der Dimensionen der Verteidigung zu Land, Luft und zu Wasser sowie ihrer interministeriellen und interalliierten Dimensionen.

         

        Die zentrale Frage ist die Beteiligung der Schüler, der künftigen Staatsbürger, an der Verteidigung und der nationalen Sicherheit ihres Landes. Denn die Verteidigung hinterfragt den Bürgersinn und nicht umgekehrt. Die Aussetzung der Wehrpflicht führt zu einem neuen Verhältnis zwischen den Staatsbürgern, der Verteidigung und der nationalen Sicherheit: zu einem neuen Bürgervertrag zwischen Frankreich und seiner Armee.

         

        cours cm2
        Klasse CM2 der Schule Paul Bert
         © Laurent Villeret / Picture Tank / Ministerium für nationale Bildung

         

        Im Laufe der Zeit beschränkt sich die Organisation der Verteidigung nicht mehr nur auf den nationalen Rahmen: im Namen multilateraler Abkommen und Vereinbarungen, insbesondere in Europa, beteiligt sich Frankreich an vielen Auslandsoperationen im Rahmen der internationalen Sicherheit, im Namen der Werte, die es verteidigt und des Rechts, das es unterstützt, im Konzert der Nationen. Die Geschichte- und Geografielehrpläne der Sekundarstufe I und II fallen in diesen Bereich. Angesichts von Bedrohungen, die sich über Grenzen hinwegsetzen, verschwimmen die herkömmlichen Unterschiede zwischen der Verteidigung nach außen und der inneren Sicherheit, und die Gegenwehr sowie die Widerstandsfähigkeit müssen sich auf die gesamte nationale Gemeinschaft stützen.

         

        Die zentrale Aufgabe der nationalen Bildung ist in diesem Zusammenhang, allen Schülern die unerlässlichen Kenntnisse und Kompetenzen beizubringen, die diese Themen abdecken, dieses erworbene Wissen im Rahmen eines kontinuierlichen Fortschritts zu verfestigen und zu überprüfen, mit dem Ziel, eine Kultur der gemeinsamen Verteidigung zu bilden. Offizielle Lehrpläne und die Ausbildung der Lehrer sind die dafür erforderlichen Bedingungen.

         

        VERTEIDIGUNG UND NATIONALE SICHERHEIT IM MITTELPUNKT DER AUSBILDUNG VON SCHÜLERN ZU STAATSBÜRGERN

        Die Lehrpläne der Primarstufe räumen der moralischen und staatsbürgerlichen Erziehung breiten Raum ein. Orientierungshilfen, die dem Schüler angesichts seines Alters eine bessere zeitliche und räumliche Einordnung ermöglichen, versetzen ihn de facto in unsere Zeit und in unser Land. Im Rahmen des sogenannten “Konsolidierungszyklus“ der Grundbildung lernt der Schüler, die Symbole und Hoheitszeichen der Republik und die grundlegenden Merkmale der französischen Nation zu erkennen und zu respektieren, das französische Staatsgebiet in der Europäischen Union einzuordnen, die Franzosen im europäischen Kontext einzuordnen und Frankreichs Position in der Welt.

         

        cm2
        Grundschulklasse
        © Phovoir

         

        In der 3. und 1. Schulstufe waren zwei Module “Verteidigung“ klar ausgewiesen (Lehrpläne 2010-2012). Der Lehrplan der “Gemeinschaftskunde“ in der 3. Schulstufe widmete 20 % der Zeit dem Thema: “Verteidigung und Frieden“. Die neuen Lehrpläne der moralischen und staatsbürgerlichen Erziehung haben diese Situation grundlegend verändert. Nicht nur, dass sie nicht mit den Lehrplänen für Geschichte und Geografie verbunden sind, sondern dass man die Elemente für den Unterricht über Verteidigung und nationale Sicherheit in den Texten suchen muss. Der fehlende Verweis auf eine Unterrichtsstufe stellt ebenfalls ein Problem dar. Die notwendige Verbindung mit den Geschichte- und Geografielehrplänen führt zur Empfehlung eines Unterrichts in der 3. Schulstufe, damit die drei oben genannten Dinge gelehrt werden.

         

        In der Frage “Engagement“ lässt der Titel “das Kennenlernen der wichtigen Grundsätze“ anklingen, “die die nationale Verteidigung beherrschen“. Angesichts der grenzüberschreitenden Bedrohungen (mit Ausnahme der Spannungen im Zusammenhang mit den Migrationsrisiken, die sie verstärken oder gewisse Staaten veranlassen, neue zu erfinden), verwischt die Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Sicherheit. In diesem Zusammenhang werden die militärischen Aktionen Frankreichs im Ausland präsentiert. In Form einer Aufnahme in die Rubrik “den Zusammenhang zwischen Engagement und

        Verantwortung erklären“ wird “die Sicherheit von Personen und Gütern: Organisationen und Probleme“ genannt, die eine Verknüpfung der Verteidigung und der nationalen Sicherheit erlaubt.

         

        In der Frage “Beurteilung“ werden im Bereich “verstehen, dass zwei Werte der Republik, die Freiheit und die Gleichheit, in ein Spannungsfeld geraten können“ die “Probleme Frieden und Krieg in der Welt und Ursache von Konflikten“ erwähnt. Es ist unsere Aufgabe, diesen vereinzelten Elementen einen Zusammenhang zu geben, indem wir sie eng mit den Geschichte- und Geografielehrplänen der 3. Schulstufe verbinden.

         

        In der Sekundarstufe II ist ein Teil des Lehrplans der moralischen und staatsbürgerlichen Erziehung in der ersten Klasse der Verteidigung gewidmet. Es handelt sich um das Thema 4: “Organisation und Herausforderungen der Landesverteidigung“. Die “Landesverteidigung“ erfährt seit Ende der 1980er-Jahre tief greifende Entwicklungen und Reformen als Reaktion auf die Entwicklungen in der Welt, welche die Voraussetzungen sowohl für den Frieden als auch für den Krieg verändern; die Organisation der Verteidigung beschränkt sich nicht mehr nur auf den nationalen Rahmen; im Namen der Bündnisverträge und Vereinbarungen, insbesondere in Europa, beteiligt sich Frankreich an mehreren externen Operationen der internationalen Sicherheit; die Aussetzung der Wehrpflicht, die Professionalisierung der Streitkräfte, die Komplexität und die steigenden Kosten für Ausrüstung bedingen ein neues Verhältnis zwischen Bürgern, Verteidigung und nationaler Sicherheit.

         

        Die Analyse von zwei Themen, die aus den vorgeschlagenen ausgewählt werden können, erlaubt laut Untersuchungen von Schülern weitere Denkanstöße zu diesen Fragen: Aufgaben der Verteidigung und der nationalen Sicherheit (neue Formen der Unsicherheit wie Terrorismus, Piraterie und Verbreitung von Waffen und Vernichtungsmitteln, die Gesamtverteidigung, Frankreich zwischen Frieden und Krieg, Schutz des Hoheitsgebietes und Auslandsoperationen, die Rechtfertigung internationaler Missionen der Streitkräfte); Mittel der Abwehr (französische Streitkräfte, Allianzen und internationale Verteidigungsverpflichtungen, bilaterale Verträge); Akteure der Verteidigung (institutionelle Akteure, Bürger, Information, Verteidigungsberufe, die Reserve, die Feminisierung der Streitkräfte, laufende Debatten wie der Begriff der militärischen Ethik, die Einhaltung der Rechtsvorschriften).

         

        NEUE BEGRIFFE IN DEN GESCHICHTE- UND GEOGRAFIELEHRPLÄNEN

        In der 4. Klasse der Sekundarstufe I ermöglicht der Geschichtelehrplan, “die Revolution, das Kaiserreich und den Krieg“ durchzunehmen. Er erwähnt auch die Verbreitung des Nationalgefühls in Europa. Damit lässt sich das heutige Wiedererwachen dieses Gefühls verstehen. Der Geografielehrplan ist der Globalisierung gewidmet und glücklicherweise aus einer Frage heraus formuliert, die sich dem Thema “Meere und Ozeane: eine meeresbezogene Welt“ widmet. Dabei beschäftigt er sich mit Häfen, Küsten und dem Seehandel sowie der strategischen Rolle der Meerengen, wodurch sich Möglichkeiten für Überlegungen zur Geostrategie am Meer eröffnen.

         

        college
        Collège Jean-Philippe Rameau, Champagneau- Mont-d’Or
        © Philippe Devernay / Ministerium für nationale Bildung

         

        In der 3. Schulstufe umfasst der Geschichtelehrplan, der beim Ersten Weltkrieg beginnt und bis zu den Konflikten unserer Zeit reicht, die beiden Weltkriege, den Totalitarismus und die Beschäftigung mit Militäroperationen (Stalingrad, Pazifikkrieg) anhand von Karten. Er setzt mit dem Kalten Krieg und den wichtigsten Schwerpunkten der globalen Geopolitik seit Beginn der 1990er-Jahre fort, sodass sich ein Bild der Zusammenhänge zwischen den Macht- und Verteidigungsinteressen Frankreichs ergibt. Der Geografielehrplan behandelt ebenfalls in der 3. Schulstufe “Frankreich in der heutigen Welt“. Er ordnet Kontinentalfrankreich und seine Überseegebiete in der Welt ein und bringt den Begriff “Macht“ ein, der in geeigneter Weise näher erläutert und ausgeführt wird, sowohl für Frankreich als auch für Europa. Er präsentiert die Europäische Union als wichtigen Wirtschaftsakteur, “der sich auf die Finanzmacht des Euro stützt, dessen diplomatische und militärische Rolle jedoch beschränkt bleibt“.

         

        So werden die Grundlagen für geschichtliches, geopolitisches und strategisches Denken, aber auch die politischen, materiellen und moralischen Herausforderungen der Verteidigung betrachtet. Allgemeiner gesagt umfassen die Geschichte- und Geografielehrpläne die jüngere Vergangenheit und ermöglichen den Schülern so das Verständnis für die aktuellen Konflikte und den schwierigen, unvollendeten Aufbau des Friedens in der Welt. In der Sekundarstufe I entsteht fächerübergreifender praktischer Unterricht, angelehnt an unsere Programme, ausschließlich auf dieser fachlichen Grundlage (Geschichte, Geografie sowie moralische und staatsbürgerliche Erziehung): die Verteidigung und nationale Sicherheit mit allen Aspekten solle nur den Platz einnehmen, den ihr die Lehrkräfte geben.

         

        Die Lehrpläne der verschiedenen Arten von Gymnasien (allgemeine, technische und berufsspezifische Sekundarstufe II) bringen die Fragen der Verteidigung und nationalen Sicherheit deutlicher zum Ausdruck und sind ausführlicher in den Geschichte- und Geografielehrplänen (Lehrpläne 2010-2012, 2013 geändert) formuliert.

         

        In der ersten Klasse des allgemeinen Gymnasiums behandelt das Thema 2 in Geschichte und Geografie “den Krieg im 20. Jahrhundert“: die beiden Weltkriege, den Kalten Krieg, die neuen Konflikte seit 1990 (einen bewaffneten Konflikt: den Golfkrieg; einen Ort: Sarajewo; einen Terroranschlag: den 11. September 2001). Die Geschichtelehrpläne konzentrieren sich auf die jüngere Vergangenheit und stärken so das Verständnis der Schüler für die aktuellen Konflikte.

         

        Der Geschichtelehrplan der oberen Klassen S, ES und L hat “historische Betrachtungen der aktuellen Welt“ zum Thema. Thema 1 behandelt wahlweise “den Historiker und die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg“ oder “den Historiker und die Erinnerungen an den Algerienkrieg“. Auf diese Weise ermöglicht beispielsweise das Studium der Geschichte des Widerstands (in der 1.) und der Erinnerungen an den Widerstand (in der obersten Schulstufe) einerseits die Unterscheidung der Geschichte als Schritt und der Erinnerung als Geschichtsobjekt, andererseits die Analyse der Geschichte des Widerstands seit 1945 und jene der eingefügten und übereinstimmenden Erinnerungen, wie sie heutzutage erscheinen.

         

        Thema 2 in Abschnitt S, Thema 3 in Es und L, behandelt die Bereiche “Großmächte und Konflikte in der Welt seit 1945“, “die Wege der Macht“ (die USA und die Welt seit 1918/1945, China und die Welt seit 1919/1945), “ein Konfliktherd“ (der Nahe und Mittlere Osten, ein Konfliktherd seit dem Ende des Osmanischen Reiches/Zweiten Weltkriegs).

        Die Herausforderungen der Verteidigung und der Sicherheit werden darin im Hinblick auf die Aktualität dieser Fragen behandelt. Das Geografiethema der obersten Schulstufe der allgemeinen Gymnasien “Geostrategische Bedeutung von Meeren und Ozeanen“ reiht sich ebenfalls in diese Vorgehensweise ein.

         

        In den technischen Zweigen können die Gymnasiasten je nach Abschnitt zwischen mehreren Themen wählen, darunter: “Leben und Sterben in Kriegszeiten“. Außerdem ist “Europa, ein von zwei Weltkriegen geprägter Raum“ eine Pflichtfrage für die Schüler der 1. Klasse “Wissenschaften und Techniken in Management und Verwaltung“ und “Gesundheits- und Sozialwissenschaften und -technologien“.

         

        Im berufsspezifischen Gymnasium konzentriert sich der Lehrplan der Gemeinschaftskunde der 1. Klasse “besonders auf die Pflicht zur Verteidigung“. In der obersten Schulstufe wird im Geschichtekapitel “die Welt seit der Wende der 1990er-Jahre“ der Zusammenbruch des sowjetischen Modells erwähnt, unter Hervorhebung der “Krisen, die den Beginn dieses neuen Zeitabschnitts markieren“: Genozide in Afrika und Europa, Terrorismus, Kriege gegen den Terrorismus, die internationale Verantwortung Frankreichs und das Bewusstsein seiner Bürger. Thema 4 des Geschichtelehrplans (“Kriege und Konflikte in Europa im 20. Jahrhundert“) in der berufsspezifischen Ausbildung ermöglicht die Präsentation der Herausforderungen der Verteidigung und der nationalen Sicherheit.

         

        In den Lehrplänen der Schulen gibt es daher umfangreiche und vielfältige Informationen, die aufbauend organisiert sind und den Schüler an Kenntnisse und Kompetenzen der Verteidigung und nationalen Sicherheit heranführen, die für die Ausübung seiner Bürgerpflichten als Akteur in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur oder Umweltschutz auf Basis der von der Schule unterstützten französischen und republikanischen Werte unerlässlich sind. Die Lehrpläne ermöglichen daher, den kritischen Abstand zu lehren, die Distanz zum Ereignis, die Verantwortung des Bürgers in der Zukunft. Das Nachdenken, das Verstehen, das Akzeptieren der Komplexität, die die Grundlage der Erziehung zur Verteidigung und nationalen Sicherheit sind, ermöglichen auch hier Fortschritte in der Erziehung junger Bürger: Dinge nicht zu akzeptieren, ohne darüber zu diskutieren, sie zu vergleichen und zu verstehen.

         

        Doch ist es notwendig, dass die Geschichte-, Geografie- und Gemeinschaftskundelehrer, aber auch jene anderer Fächer, auf die Vermittlung dieser Begriffe vorbereitet sind und diese gut eingeordnet werden. Diese Forderung ist umso wichtiger, als die Ersetzung der pädagogischen Hochschulen (Instituts universitaires de formation des maîtres, IUFM) durch Fachschulen für das Lehramt und Erziehung (Écoles supérieures du professorat et de l'éducation, ESPE) die bisherigen Errungenschaften in diesem Bereich in Frage stellen.

         

        VERTEIDIGUNG UND NATIONALE SICHERHEIT IN DER GRUNDAUSBILDUNG VON LEHRERN

        Die Generalinspektion für das Schulwesen hat auf Antrag des Generaldirektors für Schulbildung 2012 einen Standard ausgearbeitet, um den neuen ESPE eine Arbeitsgrundlage zu liefern. Dieses Dokument wurde an die ESPE verteilt und von einigen seit Beginn des Universitätsjahres 2013 verwendet. Die vorgeschlagene Arbeit soll die Professoren und das Lehrpersonal begleiten, die sich in der Allgemeinbildung zu militärischen, Verteidigungs- und nationalen Sicherheitsfragen einsetzen. Sie gliedert sich in vier Termine zu je zwei Stunden und einen Termin für Nachbereitung und Fallstudien.

         

        education civique
        Collège Michelet, Vanves
        © Xavier Schwebel / Picture Tank / Ministerium für nationale Bildung

         

        Die Studie handelt in erster Linie von “der Bedeutung des militärischen Ereignisses in der Geschichte“ bis zu den Schnittpunkten von Krieg und Nation, zur Rolle und dem Platz der Armee und der

        Marine im Wirkungsbereich der Nation, zum Platz der Streitkräfte für die Verteidigung und nationale Sicherheit. Es geht darum, die Verteidigung als staatliche Politik zu untersuchen, aus historischer Sicht, langfristig als Organisation und Institution, mit räumlichen und zeitlichen Vergleichen und einem Querschnitt über die Land-, Luft- und Seestreitkräfte sowie die nationale Gendarmerie. Die Untersuchung mündet in einer Analyse der aktuellen Grundlagen der Verteidigung und der nationalen Sicherheit.

         

        Anschließend liegt der Schwerpunkt auf der Verteidigung in ihrem politischen, sozialen und kulturellen Umfeld (Aufgaben, Geschichte, Militärtraditionen), also “von der Verbindung zwischen den Streitkräften und der Nation bis zu den Beziehungen zwischen Verteidigung und Gesellschaft“. Die Frage der Teilnahme der Franzosen an der Verteidigung und der Teilnahme der Streitkräfte an der Herausbildung des Bürgersinns nimmt hier einen zentralen Platz ein. Hier werden die Beziehungen zwischen Schule und Armee untersucht. Die Einflüsse zwischen dem militärischen Ereignis und der Literatur, der Philosophie, der Kunst und den Wissenschaften sind Gegenstand nützlicher Annäherungen.

         

        “Neue Rahmen, neue Bezugssysteme: Frankreich im Umfeld seiner Verteidigung und nationalen Sicherheit (von 1970 bis heute)“ bezieht sich auf das Entstehen von Gefahren und der Strukturierung des internationalen Lebens und analysiert die aktuellen Grundlagen der Verteidigung Frankreichs im Geiste der wesentlichen Entwicklungen, die in den folgenden Weißbüchern zum Ausdruck kommen. Die Fragen der Verteidigung und nationalen Sicherheit werden im Lichte der größten Gefahren, der Massenvernichtungswaffen und der nationalen Widerstandsfähigkeit betrachtet.

         

        Der letzte Teil der Arbeit befasst sich mit den neuesten Aspekten der französischen Problematik der Verteidigung und nationalen Sicherheit: “Regieren in stürmischen Zeiten. Wie soll die Sicherheit der Nation organisiert werden?“ Dabei werden der Rahmen, der Zusammenhang und die Akteure erwähnt, aus denen sich die französische Verteidigungs- und Sicherheitsarchitektur zusammensetzt, sowie das Entstehen einer neuen Regierungskultur in dem Bereich, ausgehend vom Ziel der Kontinuität des Lebens dieses Landes, von weitergeführten Auslandsoperationen und von der Abschreckung als letzte Sicherheit.

         

        cours lycee
        Gymnasialklasse
        © Sophie Brandstrom / Ministerium für nationale Bildung

         

        Das im Dezember 2013 in Form einer DVD erschienene Werk mit dem Titel “Unterricht über Verteidigung“ ermöglicht, den Unterricht durch eine akademische Ausrichtung und Umsetzungsvorschläge zu unterstützen. Das nationale Portal enthält auch, unter Aufsicht der Generalinspektion, besonders aktuelle Bezugnahmen auf Fragen der Verteidigung und nationalen Sicherheit. Die Weiterbildung der Lehrkräfte, die für jeden und jede verpflichtend ist, muss sich schließlich an die Ausbildungen anlehnen, für welche die regionalen Schulaufsichtsbehörden in den Akademien die Hauptverantwortlung tragen, insbesondere innerhalb der “akademischen Trinome“. Es ist notwendig, dass diese Ausbildungen von der Generalinspektion miteinander in Verbindung gebracht und auf nationaler Ebene aufeinander abgestimmt werden.

         

        espe
        Ausbildung künftiger Lehrkräfte in der Fachschule für das Lehramt und Erziehung (ESPE)
        © Xavier Schwebel / Ministerium für nationale Bildung

         

        Tristan Lecoq - Generalinspektor für nationale Bildung - Beigeordneter Universitätsprofessor (Zeitgeschichte) an der Universität Paris Sorbonne

        Autor

        Tristan Lecoq - Inspecteur général de l’Education nationale - Professeur des universités associé (histoire contemporaine) à l’Université Paris Sorbonne

        Die Marseillaise von der Entstehung bis heute

        Aktie :

        Zusammenfassung

          Zusammenfassung

          DATUM : Mittwoch, 25. April 1792

          ORT : Straßburg

          AUSGABE : Komposition der Marseillaise

          AUTOR : Rouget de Lisle

          Die Marseillaise hat ihren Ursprung in der Französischen Revolution und ist nunmehr seit über zwei Jahrhunderten Teil der Geschichte unseres Landes. Sie begleitet uns gleichermaßen in Momenten der Hoffnung und ausgelassener Freude wie auch in schweren Zeiten der Umwälzung und tragischen schweren Zeiten. Als Symbol für Einheit ist sie Anziehungspunkt für alle Verfechter der Freiheit in Frankreich und auf der ganzen Welt.

          Die in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1792 unter dem Titel Kriegslied für die Rheinarmee verfasste Marseillaise verdankt ihren Ursprung Joseph Rouget de Lisle, Offizier des Korps der Ingenieure und bekannt für sein Geigenspiel und seine dichterischen Werke. Über die genauen Umstände der Entstehung gibt es verschiedene Versionen: am selben Abend während des Abendessens mit Dietrich, dem Bürgermeister von Straßburg, am nächsten Vormittag, nachdem er den ganzen Tag über der Komposition saß oder auch die Version, dass sie beim Mittagessen des Korps gesungen wurde. Die Geschichte wurde gleich zweifach verewigt, einerseits von Lamartine in seinem Werk Histoire des Girondins sowie andererseits in dem von Isidore Pils im Jahr 1849 angefertigten Gemälde, das die Freude über das Ausrufen der Zweiten Republik widerspiegelt. Die erste Version der Partitur wird ohne Angabe des Autors von Dannbach in Straßburg gedruckt und Marschall Luckner gewidmet. Auf diese Weise wurde die Version erst dem Mai 1792 zugeordnet, nachdem dieser als Kommandant der Nordarmee berufen wurde und dann schließlich im Januar 1794 auf dem Schafott endete. Dietrich erfuhr dasselbe Schicksal und wurde 1793 auf der Guillotine hingerichtet. Wie die anderen, war auch Rouget gegen die Absetzung des Königs, konnte jedoch der Todesstrafe entkommen und wurde lediglich von August 1793 bis Juli 1794 inhaftiert.

          Die Hymne wurde zunächst in Frankreich über die Clubs und Zeitungen verbreitet. Der spätere General François Mireur macht in Montpellier ihre Bekanntschaft. Schon bald wird sie vom Bataillon der föderierten Freiwilligen von Marseille übernommen, die durch ein Abkommen verpflichtet waren, am 10. August 1792 den Sturz der konstitutionellen Monarchie zu unterstützen und die Revolution und den Terror zu kippen. Das Lied wurde überraschend zum Erfolg. Die Umstände, wie es nach Paris transportiert und von der Bevölkerung der Hauptstadt angenommen wurde, gaben ihm den neuen Namen "Marseillaise".

          Gossec bessert einige Schwachstellen in der Partitur von Rouget nach und erarbeitet eine Harmonisierung für Orchester unter dem Titel L'Offrande à la liberté. Mit dieser Version werden fortan alle Veranstaltungen eröffnet. 1793 wird sie per Beschluss zur offiziellen Hymne, bevor sie am 14. Juli 1795 (26. Messidor im Jahr III) vom Konvent der Thermidorianer zur "Nationalhymne" ernannt wird. Die Marseillaise verbreitet sich rasant in ganz Europa. Sie wird bereits 1792 ins Englische und Deutsche übersetzt und ist 1793 in Schweden und 1795 in den USA bekannt.

          Die mit den Ausschweifungen der Revolution in Verbindung gebrachte Marseillaise wird im Kaiserreich verboten und zunächst durch den Chant du départ und später durch Veillons au salut de l'Empire ersetzt. Während der Herrschaft der 100 Tage kommt sie erneut zu Ehren, wird jedoch während der Restauration erneut verboten. Während der Julirevolution von 1830 ertönt sie wieder in meisterhafter Orchestrierung mit Chor, verfasst von Berlioz, der seine Fassung Rouget de Lisle widmet. Dennoch erreicht die Marseillaise nicht mehr ihren Status als Hymne, weder während der Zweiten Republik noch während des zweiten Kaiserreichs. Dass sie trotz aller öffentlichen Turbulenzen, die die Regierungen des 19. Jahrhunderts mit sich brachten, dennoch überlebte, macht deutlich, dass sie stets in den Köpfen existierte, mit all ihren verschiedenen Auslegungen und dem Nachhall der Revolution. Die Marseillaise wird als Lied wahrgenommen, insbesondere in den Arbeitervierteln der Großstädte.

           

          partition originale
          Erste Partitur der "Marseillaise" von Claude Joseph Rouget de Lisle, 1792. BnF
          © Roger-Viollet

           

          UMSTRITTENE URHEBERRECHTE

          Obwohl Bonaparte Rouget mit der Komposition einer neuen Hymne beauftragt hatte, wurde der am 3. Januar 1800 in der komischen Oper aufgeführte Chant des combats genauso ein Misserfolg, wie das für die Rückkehr der Bourbonen im Jahr 1815 komponierte Lied Vive le roi. Da insbesondere die ersten Versionen nicht unter seinem Namen veröffentlicht wurden, musste Rougets, Komponist eines einzigen Geniestreichs, miterleben, wie seine Urheberrechte auf die Marseillaise angefochten wurden. Manche meinen, die Handschrift von Pleyel, Holtzmann oder sogar Mozart erkennen... 1863 erhält der Musikwissenschafter Fétis eine Vorladung für das Gericht, um zu bezeugen, dass die Komposition Navoigille zuzuschreiben ist, was er jedoch widerruft. 1886 entdeckt der Chart-Analyst Arthur Loth das Thema in Les Stances de la calomnie, einem Auszug aus dem Oratorium Esther, eine Partitur aus Zeiten vor der Revolution, unterzeichnet von Jean-Baptiste-Lucien Grisons, Kantor von Saint-Omer in den Jahren 1775 bis 1787. Die Angelegenheit wurden von der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt und führte zur Veröffentlichung der während der Revolution entstandenen musikalischen Werke von Constant Pierre und der Geschichte der Hymne verfasst von Julien Tiersot, beide in der Absicht, Rouget zu verteidigen. Erst kürzlich wurde eine Partitur eines virtuosen Geigers entdeckt

          Auch Giovanni Baptista Viotti verwendet in Thème et variations en do majeur von 1781 das Thema der Marseillaise. In der Tat verhält es sich so, dass in dieser Epoche keine Urheberrechte bestanden und das Lied häufig "ausgeliehen" wurde. Somit ist der Fall längst nicht abgeschlossen.

          DIE ALS STAATSFEINDLICH WAHRGENOMMENE HYMNE

          Im zweiten Kaiserreich wollte man die Marseillaise am liebsten vergessen machen, Genehmigungen für eine Neuauslegung wurden systematisch verweigert, bis es schließlich im Juli 1870 zur Kriegserklärung kam. Das Lied der Aufständigen wurde sodann in der Kommune wieder zum Leben erweckt. Am 8. September 1877 wird es während der Bestattung der Opfer von Thiers gesungen. Nach einer theatralischen Interpretation in einem Theater in Nantes hegen noch im selben Jahr republikanische Abgeordnete die Absicht, das Lied erneut als Nationalhymne anzuerkennen. Am 30. Juni 1878 wird M. Sellenick, musikalischer Leiter der republikanischen Garde, vom Obersten Kommandeur der Garde für sein Verhalten disziplinarisch belangt. Diese äußerst ungewöhnliche Sanktionierung des musikalischen Leiters des angesehenen Armeeorchesters, a fortiori für das Regime, ist exemplarisch für die Vorgehensweise des Kriegsministers General Borel. Er verbietet das Lied, indem er die bereits während der Restauration vorgebrachten Argumente wiederholt: "Abgesehen von der politischen Bedeutung, die dem Lied beigemessen werden könnte, was im Zusammenhang mit der Armee unter allen Umständen zu vermeiden ist, wurde die Marseillaise als Kriegslied komponiert und passt somit nicht zum aktuellen Status der Armee, da wir mit der ganzen Welt in Frieden leben und dies auch so bleiben soll". Dieser Vorfall findet statt in der letzten Periode der Krise des 16. Mai 1877, in der das Regime gestürzt wird, wo Einrichtungen auf die Wiederherstellung der Monarchie warten, hin zu einer radikalen Republik, in der symbolische Gesten zunehmen werden, um die revolutionäre Vergangenheit für sich zu beanspruchen. Sicherlich in Absprache mit den Pariser Behörden und während der Einweihung eines Monuments zu Ehren der Republik, lässt die Interpretation von Sellenick die huldvolle Rückkehr des revolutionären Liedes bereits erahnen. Dieser Fall hat keine Auswirkungen auf seine Karriere, bis er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt wird und er vom Kriegsminister den Befehl erhält, eine noch schnellere Version für die Feierlichkeiten anlässlich des 14. Juli 1880 zu verfassen. Diese Position behält er darüber hinaus bis zum Erreichen des Höchstalters im Jahr 1884 inne.

          ENDGÜLTIGE ANERKENNUNG ALS NATIONALHYMNE

          Am 14. Februar 1879 legt Gambetta einen Gesetzesentwurf vor, der dann jedoch wieder zurückgezogen wird. Sechs Tage später beschließt das Parlament, auf Vorschlag von Kriegsminister General Gresley, die Marseillaise als offizielle Nationalhymne zu verwenden, was durch Beschluss vom 14. Juli 1795 bestätigt wird (26. Messidor im Jahr III). In einem Schreiben des Kriegsministers vom 24. Februar 1879 wird mitgeteilt, dass "die Hymne mit Titel Hymne des Marseillais bei allen Veranstaltungen zu singen ist, wo der Einsatz von Militärkapellen offiziellen Charakter hat". Dieses Schreiben wollte glauben machen, dass dieses Lied eigentlich niemals etwas anderes war als die offizielle Hymne und die anderen Regime nichts anderes waren als historische Zwischenspiele: "Aus einer Gesetzesverordnung, datiert vom 26. Messidor im Jahr III (14. Juli 1795), veröffentlicht im amtlichen Gesetzblatt, über das nie berichtet wurde, geht hervor, dass das Musikstück mit Titel Hymne des Marseillais von den Militärkapellen zu spielen ist." 1879, zu früh für einen Nationalfeiertag, hatten die Republikaner noch kein definitives Datum festgelegt. Der erste Nationalfeiertag wird somit erst am 14. Juli 1880 gefeiert, mit Fahnenübergabe auf der Pferderennbahn in Longchamp, Paraden, Artilleriesalven und Ballveranstaltungen. Seit diesem Datum wird die Marseillaise bei allen offiziellen Zeremonien gespielt.

          OFFIZIELLE PARTITUR

          Für die Einführung einer offiziellen Hymne bedarf es einer Referenzpartitur, um sicherzustellen, dass beim Zusammenspiel mehrerer Musikkapellen eine einzige identische Version gespielt wird. Die Problematik der Instrumentation und Organisation wurde dank der von Adolphe Sax 1845 durchgeführten Anpassung der Instrumente gelöst. Nun musste man sich nur noch auf die Partitur einigen. Die Harmonisierung von Gossec war nicht geeignet und die von Berlioz war eher als Begleitmusik für einen Chor vorgesehen und nicht als reine Orchesterdarbietung. 1886 rief der amtierende Kriegsminister General Boulanger einen Wettbewerb für alle musikalischen Leiter ins Leben, während die bekanntesten Musiker der Epoche in die Jury berufen wurden. Die offizielle Version für Orchester wird am 20. Mai 1887 festgelegt. 1912 folgt dann eine neue Partitur für Darbietungen mit Chor. Sie wird in der Version von Pierre Dupont geändert, im Jahr 1938 offiziell anerkannt und seither so verwendet. Einzige Ausnahme ist unter der Präsidentschaft von Giscard d'Estaing, der eine langsamere Version verlangte.

           

          transfert cendres rouget
          Überführung der Asche von Rouget de Lisle in den Invalidendom: Prozession, Avenue des Champs-Élysées, Paris, 14. Juli 1915
          © Wackernie / Excelsior - L'Équipe / Roger-Viollet

           

          HYMNEN IN EUROPA

          Ab 1792 schwappte die Welle der revolutionären Gedanken der französischen Streitkräfte auch auf die anderen europäischen Länder über. In den Jahren 1809 bis 1813 übernehmen die Studenten und Soldaten der germanischen Freischarenzüge die Kompositionen ihrer Poeten (Arndt, Weber, Uhland usw.). Die Ode an die Freude von Schiller wird von Beethoven musikalisch inszeniert. Dieses musikalische Thema, letzter Satz der 9. Symphonie, wird im Jahr 1986 zur europäischen Hymne. 1831 wird in Polen die La Varsovienne (Warszawianka) von Sienkiewski und Kurpinsky verfasst. In Belgien endet der Aufstand von 1830 mit dem Erreichen der Unabhängigkeit, die in der Oper mit den Worten der La Muette de Portici von Auber verkündet wird. In Italien spielt Verdi die Hauptfigur, dessen Name selbst bereits für Einheit steht. Das von den Partisanen der Einheit verwendete Viva VERDI steht für Viva Vittorio Emanuele Re d'Italia (Victor-Emmanuel war der italienische Thronanwärter). Die Wacht am Rhein, 1840 geschrieben und 1854 musikalisch inszeniert, war die offizielle Nationalhymne des germanischen Volkes während des Krieges im Jahr 1870. Und auch der Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben ließ sich von der nationalen Frage inspirieren und schrieb 1841 zu einer Partitur von Haydn Das Lied der Deutschen, auch bekannt als Deutschlandlied, dessen dritte Strophe die heutige Nationalhymne Deutschlands ist. Die Briten waren die ersten, die mit diesem Beispiel vorangingen und als erste Nation patriotische Hymnen schrieben. Mitte des 18. Jahrhunderts ertönten bereits Rule Britannia (1740), God Save The King (1745, die Melodie wurde aus einer Komposition von Lully übernommen, was von den Briten bis heute abgestritten wird) sowie Heart Of Oak (1759), die Hymne der Seeleute der Marine.

          EIN DIALOG ZWISCHEN DEN VÖLKERN

          Neben dem Ausdruck kollektiver Identität durch den Gesang, sind die Nationalhymnen auch ein Mittel, sich an andere Nationen zu wenden. Auf diese Weise entstand eine Art Völkerverständigung, ein Konzert der Nationen. Die Musik und somit das Lied bleiben lange im Gedächtnis der Menschen. Lieder, die in der Kindheit oder auch in der Jugendzeit erlernt werden, bleiben ein Leben lang im Gedächtnis. Sie sind wie ein unauslöschlicher Stempel, der an die folgenden Generationen weitergegeben wird. Diese Musik verwurzelt sich im kollektiven Gedächtnis, sie nimmt Einfluss auf die Entwicklung, in zwangsläufig langsamer Geschwindigkeit. Bis zur Zeit von Luther sang Europa mit einer Stimme. Und zwar nicht nur Volkslieder, sondern auch geistliches Repertoire. Lateinkenntnisse waren nicht erforderlich, um die Lieder zu singen und ihren Sinn zu verstehen. Als Luther das Deutsche zur liturgischen Sprache machte, zerbrach die Einheit, die das Lateinische vermittelte. Man kann somit interpretieren, dass anhand der Nationalhymnen der Versuch bestand, den Dialog zwischen den Menschen und Nationen zu stärken, um die verloren gegangene Einheit zurückzugewinnen. In den Zeiten, in denen es noch keine Mittel zum Aufzeichnen oder moderne Kommunikationsmittel wie Radio, Kino oder Fernsehen gab, waren die Lieder ein wichtiges Medium.

          GEMEINSCHAFTLICHE BEZIEHUNG ALS STÄNDIGER GEGENSTAND VON DISKUSSIONEN

          Eine Nationalhymne ist in dem Land, für das sie geschrieben wurde, ein Instrument der Gemeinschaft und kollektiven Identität. Über ihre Worte, Melodie und Geschichte erhält diese Komposition eine ganz eigene Bedeutung und wird von allen wiedererkannt. Wird ein Lied erst mal zur Nationalhymne, führt dies unmittelbar zur Minderung der subversiven Wahrnehmung. Während die Marseillaise während der Revolution als politisches Lied gesungen wurde, bevorzugten die Arbeiter die L'Internationale, deren Musik 1888 komponiert wurde. Diese Veränderung wird auch im Ausland wahrgenommen. Von Februar bis November 1917 wird die Marseillaise von der provisorischen Regierung Russlands als Nationalhymne angeordnet, bevor sie dann von den Bolschewisten durch die L'Internationale ersetzt wurde. Der 1938 gedrehte und von Renoir der Marseillaise gewidmete Film, trägt dazu bei, das Volk mit dem Lied zu versöhnen. Allerdings wirft auch diese Institutionalisierung weiterhin Fragen auf. Bis heute werden nur die erste Strophe, der Refrain und die sechste Strophe gesungen, allesamt von Rouget, sowie die siebte so genannte "Strophe der Kinder", die dem Abt Pessonneaux zugeschrieben wird. Alle anderen Strophen werden eigentlich nie gesungen.

          Fragen, Kritiken und Einwände, mögen sie manchmal noch so legitim sein, werden genauso in Frage gestellt wie die Stichhaltigkeit ihrer Rolle und somit der gemeinschaftlichen Verbindung, die alle Menschen derselben Nation vereinen. Und trotz der komplexen Geschichte hat die Marseillaise ihren Rhythmus innerhalb der Geschichte Frankreichs nicht verloren. Auch wenn sie nicht sicher ist vor Polemik und teilweise auch Ablehnung, so ist die Hymne nach wie vor ein Symbol der Einheit und sie bleibt unwiederbringlich mit der Republik verbunden. Sie ertönt bei allen Feierlichkeiten: Gedenkfeiern, offizielle Zeremonien, Feierlichkeiten anlässlich des Gedächtnisses, internationale Sportveranstaltungen. Seit 2003 ist die Marseillaise per Gesetz geschützt und seit 2005 wird sie von den Kindern in der Schule erlernt.

           

          gustave dore
          Gustave Doré (1832-1883). "La Marseillaise", allegorische Radierung, 1870. BnF
          © Albert Harlingue / Roger-Viollet

           

          BEISTAND FÜR DIE FRANZOSEN IN SCHWEREN ZEITEN

          Durch den Unterricht für die jungen Generationen nimmt die Institutionalisierung der Hymne ihren Weg. Als 1911 die Spannungen in ganz Europa zunehmen, macht der französische Bildungsminister Maurice-Louis Faure das Erlernen der Marseillaise an den Schulen zur Pflicht.

          Als der Erste Weltkrieg ausbricht, wird sie zum Lied der "heiligen Einheit", der letzten Bastion gegen den deutschen Aggressor. Überall, an der Front und in den hinteren Reihen, auf den Terrassen der Cafés, bei offiziellen Zeremonien und Veranstaltungen ertönt die Hymne. Als Symbol dieser Hingabe, wird am 14. Juli 1915 die Asche von Rouget de Lisle auf dem Friedhof von Choisy-le-Roi exhumiert und im Rahmen einer feierlichen Zeremonie in den Invalidendom nach Paris überführt.

          Auch unter dem Regime von Vichy bleibt sie offizielle Nationalhymne und das niemals offiziell anerkannte Lied Maréchal nous voilà erreicht niemals denselben Stellenwert. Alle singen die Hymne, sowohl die französischen Soldaten in England, als auch die Gefangenen in den Stalags und die Widerstandskämpfer. In der Verfassung von 1946, und der späteren von 1958, ist die Marseillaise ausdrücklich als Nationalhymne festgeschrieben. 1962 wird sie gleichermaßen von den Partisanen des französischen Algeriens und denen von General de Gaulle gesungen, der diese so lange in seine Reden einbaute, bis diese vom Publikum mitgesungen wurde. Am 30. Mai 1968 erhält der General Unterstützung von den anwesenden Demonstranten, die auf den Champs-Élysées als Chor in die Hymne einstimmten.

          Unterschiedliche Interpretationen werden anerkannt und geschätzt, unter anderem die Version von Jessye Norman, dargeboten anlässlich der 200-Jahr-Feier der Revolution am 14. Juli 1989 auf dem Place de la Concorde oder die Version von Mireille Mathieu. Wiederum andere Interpretationen, wie die Reggae-Version von Serge Gainsbourg im Jahr 1979 sind leicht missverständlich und ihr Einsatz während der Eröffnungsfeier eines Fußballspiels ist häufig sehr umstritten. Während der Gedenkfeier der Nationalversammlung für die Opfer der Attentate vom 7. Januar 2015, wurde die Nationalhymne gemeinsam von allen Abgeordneten gesungen. Ein Zeichen jüngster Zeit, das die nationale Einheit gegenüber der terroristischen Bedrohung symbolisiert. Dieselbe Einheit wurde auch demonstriert, als sich das Parlament nach dem Attentat vom 13. November 2015 zum Kongress in Versailles versammelte.

          VEREHRUNG DER GEMEINSCHAFTLICHEN BINDUNG

          Als Ausdruck der Verbindung, die ein ganzes Volk vereint, nimmt die Nationalhymne eine heilige Dimension an. Ihre Darbietung unterstreicht den Respekt für die Haltung derer, die sie singen oder ihr zuhören. Man verspürt das Bedürfnis, sich zu erheben und sich selbst zu entdecken. Es ist nicht der Gesang als solcher, der heilig ist, sondern vielmehr das, was die Gemeinschaft dadurch repräsentiert. Bereits seit den Anfängen der Revolution nimmt die Marseillaise eine rechtmäßige Stellung ein und ersetzt das traditionelle Te Deum: "Bei Bekanntwerden der Neuigkeiten, ergeht der Beschluss für eine staatsbürgerliche Feier: auf Vorschlag des Kriegsministers Servan wird beschlossen, dass anstelle von Te Deum nunmehr die Hymne des Marseillais zu singen ist. Die Sitzung, in der die Ehre dem Lied von Rouget de Lisle (28. September 1792) zuteil wird, ist die erste, in der die Versammlung über eine zukünftige Nationalhymne berät, die dann nach erster offizieller Anhörung beschlossen wird."

          In der römischen Liturgie wird Te Deum in Festgottesdiensten gesungen, um der Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen (Siege, Feiertage, Geburten an den Fürstenhöfen, Remission von Krankheiten, Rettung, Prozessionen usw.) sowie bei allen Gelegenheiten und Anlässen, für die es Gott zu danken gilt. Das Ersetzen dieser Hymne durch die Marseillaise zum Feiern eines Sieges weist auf die neue Wertigkeit ihrer heiligen Bedeutung hin. Nunmehr ist es nicht mehr Gott, der von den Menschen gefeiert wird, sondern vielmehr feiert sich das Volk selbst als Meister seines eigenen Schicksals.

          Autor

          Thierry Bouzard - Musikhistoriker