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Frankreich im Libanon

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Scharfschütze auf seinem Überwachungsposten. Im Hintergrund das "Drakkar"-Gebäude, 4. Oktober 1983. © FX. Roch & P. Bideault/ECPAD

Die Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon (UNIFIL) wird 1978 als zivile und militärische Einrichtung der Vereinten Nationen zur Wiederherstellung von Frieden und Stabilität im Libanon eingerichtet und erfährt 2006 eine Neubestimmung ihrer Aufgaben.

Corps 1

Der Aufbau der UNIFIL geht auf die Destabilisierung des Libanon durch bewaffnete Gruppen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zurück, die Ende der Siebzigerjahre Aktionen gegen Israel durchführen. Der Anschlag auf einen Autobus mit israelischen Zivilisten auf einer Straße in Tel Aviv durch ein palästinensisches Kommando am 11. März 1978 zieht die Antwort der Israelischen Verteidigungskräfte nach sich, die in der Nacht von 14. auf 15. März die Operation “Litani” starten. Ziel des israelischen Generalstabs ist die Schaffung einer Pufferzone im Südlibanon zwischen der israelischen Grenze und dem Fluss Litani, um neuerliche Angriffe zu verhindern.

Diese israelische Offensive ruft die sofortige Reaktion der Vereinten Nationen (UNO) hervor. So fordert die am 19. März 1978 verabschiedete Resolution 425, dass die “territoriale Integrität, die Souveränität und die politische Unabhängigkeit des Libanon” respektiert werden. Sie fordert Israel außerdem auf, “seine Militäraktion einzustellen und seine Truppen abzuziehen”. Schließlich richtet die Resolution 425 eine Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon ein, die mit der Durchsetzung dieser Entscheidungen vor Ort beauftragt ist. Die UNIFIL, deren Hauptquartier Naqura ist, wird von Kontingenten aus 14 Ländern gebildet und verfügt anfänglich über insgesamt 4.000 Blauhelme (davon 730 französische Soldaten im Rahmen der Operation “Hippocampe”). Diese Truppenstärke erweist sich schnell als unzureichend. Sie wird daher schrittweise aufgestockt: die Resolution 501 vom 25. Februar 1982 hebt sie auf 7000 Mann an (1400 Franzosen sind im Monat Mai vor Ort). Da die UNIFIL den Mandaten nachgebildet war, welche die UNO in der Vergangenheit angewendet hatte, erweist sie sich schnell als ungeeignet. Im Gegensatz zu früheren Operationen befinden sich die Truppen der UNIFIL in einem Gebiet involviert, in dem die Autorität der libanesischen Regierung verschwunden ist und jene aller möglichen Milizen herrscht, die oft Zweckbündnisse bilden. So verteidigen die libanesischen Streitkräfte und die Marada-Brigade die Interessen der Christen, die Amal-Bewegung und die Hisbollah jene der Schiiten, während andere Gruppen die drusische Minderheit, Syrien, den Iran oder auch Israel unterstützen. Die ausländischen Kontingente der UNIFIL, die mit zu leichten Waffen ausgestattet sind und einem sowohl zu engen als auch unzureichenden rechtlichen und technischen Rahmen unterliegen, werden mitten im libanesischen Chaos schnell angegriffen und verzeichnen ihre ersten Toten.

Eine Weile (1982-1984) steht die UNIFIL an der Seite der multinationalen Eingreiftruppe (FMI), dann jener der multinationalen Sicherheitstruppe von Beirut (FMSB). Diese Einrichtungen gehen aus bilateralen Vereinbarungen hervor, in denen die Soldaten unter nationalem Befehl handeln. Seiner Bündnistradition treu bleibend hilft Frankreich der libanesischen Regierung und ihrer Armee, ihre Unabhängigkeit wiederzuerlangen. Unter diesem Gesichtspunkt wird ein Teil der französischen Verbände der UNIFIL zur FMI/FMSB abkommandiert. Mit der Auflösung der FMSB im März 1984 und nach dem Attentat von “Drakkar” gegen die französischen Truppen sowie jenem am Flughafen Beirut gegen die Amerikaner am 23. Oktober 1983 umfassen die französischen Verbände der UNIFIL neuerlich 1400 Mann. Jedoch führt die scheinbare Stabilisierung der Lage in der Region zum schrittweisen Abzug Frankreichs, sodass 2005 nur noch 200 französische Soldaten im Libanon tätig sind.

Die Ereignisse des Sommers 2006 bringen eine Änderung der Aufgaben der UNIFIL mit sich, die bald schon in UNIFIL II umbenannt wird. Denn im Juli und August 2006 marschiert Israel, das entschlossen ist, die Hisbollah auszulöschen, die seine Interessen und seine Bürger vom Libanon aus bedroht, erneut im Südlibanon ein, bombardiert Beirut sowie Dutzende weitere Ziele auf libanesischem Gebiet. Die Resolution 1701 vom 11. August 2006, die den Rückzug der israelischen Truppen fordert, verstärkt die Macht, welche die UNIFIL I mit der Resolution 425 erhielt. So verfügen etwa 5.000 Soldaten (eine bald überschrittene Truppenstärke, denn 2016 sind es etwa 11.000 Männer und Frauen) aus 34 verschiedenen Ländern nunmehr über “Durchsetzungsbefugnisse” im Falle einer Beteiligung, auch gegen die israelischen Luftstreitkräfte.

Der Zuständigkeitsbereich der UNIFIL II erstreckt sich vom Fluss Litani bis zur Blauen Linie (sie grenzt die libanesisch-israelische Grenze sowie die Grenze des Libanon zu den Golanhöhen ab) und ist in zwei große Sektoren, West und Ost, unterteilt. Jeder Sektor ist wiederum in mehrere Zonen unterteilt, für die ein Land zuständig ist. Frankreich beteiligt sich im Rahmen der Operation “Daman” an der UNIFIL II. Sein Kontingent, das im Herbst 2006 etwa 1.650 Soldaten umfasst, wird schrittweise auf 870 (Ende 2016) reduziert. Diese sind vor allem in der Eingreiftruppe zusammengefasst. Die UNIFIL II verfügt auch über eine “Maritime Task Force”, die mit der Überwachung der libanesischen Hoheitsgewässer beauftragt ist und verhindern soll, dass Waffen in den Libanon gelangen. Die festgelegten Aufgaben sowie die der UNIFIL II durch die Resolution 1701 übertragenen Mittel führten trotz der Verletzungen des Waffenstillstands zu einer deutlichen Verringerung der Spannung in diesem Teil des Nahen Ostens. Die französische Armee zahlte einen hohen Preis im Dienste der UNIFIL, denn 37 ihrer Blauhelme fanden den Tod. Zu dieser Zahl sind noch die 58 Fallschirmjäger zu zählen, die innerhalb der FMSB dienten und beim Attentat auf den Posten “Drakkar” getötet wurden.

Kommandant Yvan Cadeau - Doktor der Geschichte, Service Historique de la Défense (Historischer Verteidigungsdienst)

Corps 2


Augenzeugenbericht

Major (r) Omer M.

(Landstreitkräfte, Libanon)

“Nachdem ich zwischen 1981 und 1983 drei Mal in den Libanon entsandt wurde, habe ich diese Missionen verschieden erlebt. 1981 und 1982 werde ich als Hauptfeldwebel der Einheit zu den Kompanien abkommandiert, die vor allem mit dem Nachschub für die UNIFIL-Posten und später für die Palästinenserlager betraut sind. Die Bedingungen sind schwierig, denn zahlreiche Checkpoints, die einmal von der libanesischen Armee, dann wieder von den Milizen gehalten werden, verzögern unser Vorankommen. Dazu kommt regelmäßiger Beschuss zur Einschüchterung. Dieses Gefühl der Machtlosigkeit steigt 1982 enorm an, als wir der israelischen Invasion im Südlibanon keinen Einhalt gebieten können.

1983 wird meine Mission durch die Attentate vom 23. Oktober brutal unterbrochen. Im Morgengrauen, wenige Minuten nach dem Angriff auf die Amerikaner, wird gegen das französische Kontingent ein Attentat durchgeführt, das den Posten Drakkar zerstört, in dem ich mich befinde. Dabei wird dieses achtstöckige Gebäude in eine Ruine verwandelt. Ich entkomme den Trümmern lebend, aber in einem erbärmlichen Zustand. Nach dem Tod von 58 meiner Kameraden bin ich dauerhaft an Leib und Seele gezeichnet, dennoch bleibt mein Einsatz bis zu meinem Verlassen der Armee 1999 aufrecht.”


Augenzeugenbericht

Gruppenführer Sanélé I.

(Landstreitkräfte, Libanon)

“1984 bin ich in Beirut, wo ich mit meinen Kameraden den Befehl erhalte, einen Zug herauszubringen, der unter Beschuss der Milizionäre geraten ist, und den Sohn eines libanesischen Offiziers im selben Gebiet zu evakuieren. Die Aufregung, die mit anfänglicher Angst vermischt ist, weicht schnell dem Stolz, an dieser Mission teilnehmen zu dürfen. Es gelingt uns, sie unversehrt herauszubekommen und wir verstecken das Kind unter unseren Rucksäcken. Auf dem Rückweg werden wir an einem von bewaffneten Milizionären gehaltenen Checkpoint aufgehalten. Sie fordern uns auf, die Türen unseres VAB-Radpanzers zu öffnen. Wenn sie das Kind finden, werden sie es töten und uns dazu. Wir weigern uns! Sie beharren darauf. Die Spannung ist greifbar. Die Explosion einer Granate in der Nähe lenkt sie ab und so können wir schnell losfahren, um unseren Stützpunkt zu erreichen. Dort zählen wir zahlreiche Einschläge an unserem Fahrzeug und wir werden uns bewusst, welches Glück wir haben, unverletzt zu sein. Nachdem wir Waffenbrüder geworden waren, stolz darauf, unsere Aufgabe erfüllt zu haben, lässt sich bereits erahnen, dass uns diese Feuertaufe für immer miteinander verbinden sollte.”