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Von den Archiven des BCRA zum Weißbuch

Aktie :

Daniel Cordier. © Musée de l’Ordre de la Libération

Schon vor der Befreiung des nationalen Territoriums bestand ein Bedarf, das Handeln des BCRA zu erklären und zu rechtfertigen. Ende 1944 wird diese Aufgabe Daniel Cordier übertragen, der sie unter manchmal unglaublichen Bedingungen erfüllt. Mit Hilfe von Vitia und Stéphane Hessel erkennt er bald die Bedeutung seines Auftrags: Ein Weißbuch des Zentralbüros für Aufklärung und Aktion zu verfassen.

Corps 1

Die Archive des Zentralbüros für Aufklärung und Aktion (BCRA) werden in Paris ab Herbst 1944 für zwei verschiedene Ziele genutzt: Die Generaldirektion für Studien und Forschungsarbeiten (DGER), Nachfolgerin des BCRA, benutzt die aus London und Algier stammenden Dokumente zu operationellen und administrativen Zwecken; aber sehr rasch entsteht die Idee, auch eine offizielle Geschichte des BCRA zu verfassen. Während der gesamten Kriegsdauer wurde der Dienst des Colonel Passy (André Dewavrin) ohne Erklärung der schlimmsten Verbrechen beschuldigt. Bei der Befreiung vermehren sich die Angriffe, und General de Gaulle gibt seine Zustimmung zur Veröffentlichung eines Weißbuchs des BCRA, um die Aktionen der Geheimdienste zu verteidigen.

Ein Interview, das Daniel Cordier dem historischen Dienst des Heeres am 26. Januar 1999 gegeben hat, bietet eine unbekannte Ansicht der Bedingungen, unter denen ein Teil der Archive des BCRA im Rahmen dieses Projektes nach Paris zurückgekehrt ist. Daniel Cordier, der im Juli 1942 in Frankreich abgesetzt wurde, schloss sich den Büros der BCRA in London im Mai 1944 an. Im darauf folgenden Sommer begab er sich nach Paris und zog im Dienst des Gebäudes Boulevard Suchet 2 im 16. Arrondissement ein. Die DGER stand zu diesem Zeitpunkt immer noch unter der Leitung von Jacques Soustelle. Es war André Manuel, damals Verantwortlicher der operativen Funktionsdienste, die Daniel Cordier auftrugen, das Weißbuch des BCRA zu verfassen.

”Es ging um zwei Dinge. Ich musste die Archive des BCRA finden, von denen niemand wusste, wo sie sich befinden, sie an einem Ort unterbringen und dann sortieren, zunächst um den Text zu illustrieren. Unter schwierigen Umständen ist es mir gelungen, einen schönen Raum zu finden. Ich nehme an, es handelte sich um ein ehemaliges Esszimmer. Ich glaube, es lag im vierten Stock. Es gab keine Stühle. Es gab keinen Tisch. Der Raum war leer.”

Corps 2

“Sie verteidigen die Ehre des BCRA”

“Es galt, die Archive zu finden. Letztendlich habe ich die Leute befragt. Sie sind in Le Havre oder in Cherbourg, ich erinnere mich nicht mehr genau [Anm. D. Red.: Zunächst in Cherbourg vorgesehen, fand die Übergabe letztendlich in Isigny-sur-Mer statt]. Sie sind auf dem Kai. Sie wurden in Umzugskartons aus England geschickt und landeten auf einem Kai, in einem Hangar ohne Mauern, unter einem Dach. Ich besorge Lastwagen. Ich war immer ganz allein. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun würde. Ich wusste nicht, was ein Weißbuch ist. Ich hatte keine Ahnung von Archiven. Es interessierte mich einfach nicht. Aber in der Armee stellt man keine Fragen.”

”Da ich nicht verstand, wozu das diente und worauf man hinaus wollte, hat Manuel mir gesagt: 'Wissen Sie, das ist sehr wichtig, es ist eine vertrauliche Mission, weil das BCRA durch den Schmutz gezogen wird. Sie verteidigen die Ehre des BCRA'. Als wir in Paris waren und Leute in Restaurants, auf der Straße oder anderswo trafen, war es besser, nicht zu erwähnen, dass wir dem BCRA angehörten.”

”Einer der dunkelsten Momente meines Lebens”

“Eines Tages sagte die Sekretärin von Manuel zu mir: 'Wir suchen Sie überall. Die Archive sind unten. Der Lastwagen ist unten'. Sie waren in einer Art von Körben. Ich begebe mich in den Raum. Der Raum war leer. Ich hatte einen Stuhl gefunden. Das war alles, was ich hatte. Sie kommen mit ihren Körben. Ich sehe den Ersten, der kommt, sich nach vorne beugt und den Korb auf den Boden ausleert.

Ich: 'Aber was machen Sie denn da? Ich habe Ihnen doch gesagt, den Korb hinzustellen'.

Er: 'Aber nein, der Korb gehört uns usw.'.

Ein wahres Spektakel... Ich sage mir: Sie werden mich erschießen, ich bin verloren. Es gelingt mir nur, dass sie Stapel machen. Am Ende haben sie Alles in der Mitte abgelegt und das ergab einen Berg, der in sich zusammenstürzte. Ich glaube, das war einer der dunkelsten Momente meines Lebens. Ich hatte keine Ahnung von Archiven, aber ich war mir sicher, dass dies nicht die richtige Vorgehensweise war. Leider gab es eine Sache, die ich nie bekommen konnte, und zwar Aktenordner. Frankreich war ein ruiniertes Land Es gab nichts. Es gab nichts. Ich mache die Türe zu und bemerke, dass es kein Schloss gibt. Ich frage überall nach einem Schloss. Dann finde ich eine Kette und ein Vorhängeschloss. Ich gehe wieder hinauf. Es waren drei oder vier Personen im Raum, die sich umsahen. Das war nur der Anfang. Denn als die Leute, die Freunde, Schmidt, Fassin [Anm. d. Red.: Raymond Fassin, genannt Sif, starb während der Deportation], die Funker usw. erfuhren, dass ich mich darum kümmerte, kamen sie zu mir und nahmen ihre Akten mit. Ich schloss mich also ein.

Ich kroch auf allen Vieren und begann an einem Ende. Nachdem ich alles gestapelt hatte, waren die so entstandenen Blöcke in etwa homogen. Aber die Stapel waren untereinander nicht homogen, d. h. es ging vom Aufklärungsdienst zur Spionageabwehr, zur Aktion, zum Funkdienst usw. Alles war vermischt, aber gestapelt. Im Grunde habe ich versucht, die Stapel in den Ecken zusammenzufügen.”

”Ich habe Moulin gefunden”

Es gelang mir, Moulin zu finden, die Telegramme, die Berichte von Sif [Fassin], von Kim [Schmidt], von Pichard, von Leuten, die ich kannte. Ich fand auch meine Telegramme. Ich fand Berichte, die ich kodiert hatte usw. Das begann mir etwas Mut zu machen. Mit diesem Teil der Aktion kam ich langsam zurecht, da ich dieses Thema ja letztendlich kannte, da all dies wirklich mit dem Sekretariat begonnen hatte. Es gab fünf oder sechs Berichte von Moulin, und drei oder vier Berichte von Offizieren vor meiner Ankunft. Punkt. Und vielleicht zehn Telegramme. Ich bin zum richtigen Zeitpunkt gekommen Alles, was ich an Dokumenten zur südlichen und nördlichen Zone fand, war mein Gebiet, da kannte ich mich aus.

Ich habe sehr schnell begriffen, dass ich nichts für die Archive des Aufklärungsdienstes verfassen konnte. Manuel sagte mir: 'Frau Hessel wird sich um diesen Teil kümmern'. Und so kam Vitia Hessel an meine Seite. Vor ihrem Tod sagte sie zu mir: 'Ich bin erst im Dezember zu dir gekommen'. In London hatte sie versucht, mich zu treffen. Stéphane Hessel, den ich vor meiner Abreise kennengelernt hatte, hatte ihr von mir erzählt. Sie war eine wunderbare Frau. Wir verbrachten viel Zeit zusammen. Unser Frühstück nahmen wir bei Jacqueline Boulloche ein, der Schwester von Boulloche, der Militärdelegierter war. Sie erzählte mir Dinge über London, die ich nicht wusste, weil sie vor dem Eintreffen der wilden Horden der Anhänger Pétains Gott und die Welt kannte. Zu diesem Zeitpunkt lernte ich nicht nur die Leute des BCRA sondern auch das Commissariat à l'Intérieur kennen. Sie half mir. Sie hatte eine akademische Ausbildung. Sie erklärte mir, dass es ein Weißbuch zu erstellen galt, und wie dieses zu verfassen war.

Ich wusste nicht, was ich mit all diesen Berichten und Telegrammen anfangen sollte. Sie hat mir erklärt, dass die Dinge, die die Aktionen des BCRA bewiesen, ans Licht gebracht werden mussten. Was den Aufklärungsdienst betrifft, ist das eine andere Sache. Aber für meinen Teil ging es darum, Beweise für die Aktionen des BCRA zu finden, um die Widerstandsbewegung zu organisieren, zu finanzieren und zu bewaffnen. Ich habe damit begonnen, alles zu lesen, nachdem ich eine Chronologie erstellt hatte. Sobald ich etwas Interessantes entdeckte, nach ich es aus der Akte und legte es zur Seite. Ich habe einen Artikel über die Mission von Moulin geschrieben. Ich habe das in diesem Sinne gemacht.

All dies geht bis zum April weiter, bis Passy zum Direktor ernannt wird. Zu diesem Zeitpunkt habe ich Passy wiedergesehen.”

Im April 1945 tritt Passy tatsächlich die Nachfolge von Jacques Soustelle als Leiter der DGER an und bittet Daniel Cordier, sein Kabinettschef zu werden. Einige Wochen später, am 8. Mai 1945, kehrt Stéphane Hessel aus der Deportation zurück. Seine Rettung grenzte an ein Wunder. Er hilft seiner Frau und Daniel Cordier das Weißbuch zu verfassen. In seinen Memoiren gibt er nur einen kurzen Hinweis darauf, was er als “vorschnelles Werk, da die Archive noch so verstreut sind” bezeichnet (Stéphane Hessel, Danse avec le siècle, Paris, Seuil, 1997, S. 100).

Das Weißbuch des BCRA, verfasst, aber niemals veröffentlicht

Letztendlich werden die drei ersten Teile des Weißbuchs General de Gaulle Ende November 1945 präsentiert. Der Regierungschef ist prinzipiell damit einverstanden, dass es von Gallimard veröffentlicht wird. Er bestellt eine Kommission, die aus Diethelm, Billotte und Courcel besteht, um den Text zu validieren. Aber sein Rücktritt im Januar 1946, gefolgt von dem von Passy einige Wochen später, beendet dieses höchst politische Projekt.

Obwohl es in Vergessenheit geraten ist, hat das Weißbuch des BCRA eine solide dokumentarische Basis für Colonel Passy geliefert, als dieser 1946 mit der Verfassung seiner Memoiren begonnen hat, immer mit dem Gedanken, seine Bilanz als Leiter des BCRA während des Krieges zu verteidigen. Die drei Bände der Memoiren und die historischen Studien, die seitdem über das BCRA erstellt wurden, haben die Dringlichkeit eines unmittelbar verfassten Dokuments abgeschwächt. Es stand jedoch mehrere Male zur Debatte, es dennoch zu veröffentlichen, insbesondere ab den 90er Jahren, jedoch bisher ohne Erfolg.

Sébastien Albertelli

Doktor der Geschichte

WEITERE INFORMATIONEN

Der mündliche Bericht von Daniel Cordier (GR 3 K 140) ist frei zugänglich. Seine Akte als Widerstandskämpfer, die unter der Zahl GR 16 P 85797 aufbewahrt wird und jene von Stéphane Hessel, (GR 16 P 292899), sind im Lesesaal einsehbar.

Das Weißbuch des BCRA wird in den nationalen Archiven unter der Zahl 3AG2/1-3 aufbewahrt.

  • Daniel Cordier.
    © Collection Daniel Cordier
  • Daniel Cordier.
    © Musée de l'Ordre de la Libération
  • Stéphane Hessel.
    © SHD