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Die Schlacht in Saint-Marcel

Sous-titre
Juni 1944

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Operationsbereich der SAS und der Widerstandsbewegung in der Bretagne. Quelle: GNU Lizenzfrei.
Operationsbereich der SAS und der Widerstandsbewegung in der Bretagne. Quelle: GNU Lizenzfrei.

Die Schlacht von Saint-Marcel spielt eine symbolträchtige Rolle in der Geschichte der bretonischen Widerstandsbewegung.

Corps 1
Unweit von Vannes, an der Westgrenze des Dorfes Saint-Marcel, dient im Februar 1943 die Farm von Nouette als Absetzplatz für Fallschirmjäger und Material für die Widerstandskämpfer im Departement Morbihan, die vom Büro für Luftoperationen (BOA) des Freien Frankreich unterstützt wurden. Diese Operation ist bekannt unter dem Codenamen “Baleine”. Der erste und einzige Fallschirmabwurf vor den Kämpfen im Jahr 1944 findet im Mai 1943 statt.
Ende 1943 wird dieses Gebiet vom Departement-Leiter der Geheimarmee als der Ort festgelegt, an dem Waffen und Nachschub im Falle einer späteren Landung von Fallschirmjägern abgeworfen werden sollten. Rings um das Lager nimmt eine kleine Gruppe von Widerstandskämpfen Stellung.

Operationsbereich der SAS und der Widerstandsbewegung in der Bretagne. Quelle: GNU Lizenzfrei.

Im Mai 1944 beginnen in der Region die ersten Sabotageakte auf Eisenbahnschienen, während der regionale Militärabgesandte und Bataillonschef der Arbeiter der Artillerie (BOA) in der Bretagne, Valentin Abeille, in Nouette eintrifft. Am 23. Mai beginnt die Umsetzung des so genannten “Plan Vert”, dessen Ziel die Zerstörung sämtlicher Eisenbahnstrecken in der Region war, während der “Plan Violet” die Zerstörung der Telefonleitungen zum Ziel hatte. Das Departement Morbihan ist in 5 Sektoren der FFI unterteilt.
Während es am 3. Juni 1944 dem Feind gelingt, Valentin Abeille und seinen Stellvertreter aufzuhalten, erreicht Edouard Paysant mitsamt der notwendigen Funkausrüstung Morbihan. Über Radio London wird bereits am darauffolgenden Vormittag die sofortige Umsetzung von Plan Vert und Plan Violet angeordnet. Am 5. Juni folgt der Befehl für die Ausführung von Plan Rouge (Beginn der Guerilla-Aktionen). Sämtliche Operationen sollen die unmittelbar bevorstehende Landung unterstützen, indem die Kommunikationswege des Feindes zerstört werden sollten. Zur selben Zeit befielt Oberst Morice, Chef der FFI von Finistère, die allgemeine Mobilisierung und die Zusammenführung der vier FFI-Bataillons. Gleichzeitig bittet er den alliierten Generalstab um Waffennachschub, der per Fallschirm abgeworfen werden soll.

Paul Chanaillier, alias Oberst Morice. Quelle: DR

In der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1944 werden die ersten Fallschirmjäger über der Bretagne abgesetzt, während die britisch-amerikanischen Truppen in der Normandie eintreffen.

An der Tür des Flugzeugs C-47 “Dakota” bereitet sich ein französischer Fallschirmjäger der SAS (Special Air Service) French Squadron auf den Absprung vor. Zu seinen Füßen liegt ein Sack (die so genannte Hülle) mit seiner Ausrüstung. Quelle: ECPAD

Sie gehören zu den Fallschirmjägern des Freien Frankreich und unterstehen der SAS (Spécial Airbonne Service) und dem 2. Regiment der Fallschirmjäger, die bereits an verschiedenen siegreichen Kämpfen beteiligt waren, insbesondere an der Seite der 8. britischen Armee im Libyenkrieg von 1942 bis 1943. Diese Einheit untersteht der Befehlsgewalt von Oberst Bourgoin.

Oberst Bourgoin. Quelle: Museum des Ordre de la Libération

Die Fallschirmjäger verfolgen eine doppelte Mission: Sabotageakte zur Isolation der bretonischen Halbinsel sowie Blockierung deutscher Nachschubwege an den Landungsstellen, die Infiltration der Bretagne von innen sowie die Errichtung von Stützpunkten zur Aufnahme von Fallschirmeinheiten oder sonstiger per Luftweg transportierten Güter. Im Rahmen dieser Aktionen werden zwei Sonderkommandos als Spähtrupp an der Nordküste und in Morbihan abgesetzt. Ihr Ziel ist es, gemeinsam mit den Widerstandstruppen Informationen über die Truppenstärke des Feindes und seiner Verteidigungsmöglichkeiten herauszufinden, um für spätere Operationen in der bestmöglichen Ausgangslage zu sein.

Corps 2

Gleichzeitig wird im Departement Morbihan die Truppe unter Leutnant Marienne per Fallschirm in Plumelec und die Gruppe von Leutnant Deplante in der Nähe von Guéhenno abgesetzt. Die Gruppe von Marienne verliert beim Beschuss durch die deutsche Garnison in Plumelec einen Mann, den bretonischen Obergefreiten Bouëtard. Er ist der erste alliierte Soldat, der im Befreiungskampf zu Tode kommt. Drei Radio- und Funkgeräte wurden mitsamt dem Übertragungsmaterial beschlagnahmt.

Leutnant Marienne. Quelle: DR

Am 6. Juni treffen sich die lokalen und Departement-Leiter der Widerstandsbewegungen im Stützpunkt von Nouette. Am 7. Juni treffen die ersten Widerstandskämpfer ein, gefolgt von vielen Freiwilligen. Besonders nennenswert sind eine weibliche Kämpferin sowie die Fallschirmjäger unter der Befehlsgewalt von Marienne und Deplante.

Rückblick über die 40er Jahre. Quelle: Ouest France

La Nouette und der unter Dingson bekannte Stützpunkt werden zur wichtigsten Versorgungs- und Nachschubbasis für die Fallschirmjäger von Morbihan. Beeindruckt von der Bedeutung und der Organisation der Widerstandsgruppen, sendet Marienne am 8. Juni eine Nachricht an Oberst Bourgoin, der sich zu diesem Zeitpunkt in London aufhält. In dieser Nachricht fordert er Waffen, Kraftstoff, Sanitätsmaterial und Uniformen an. Er drängt seinen Chef, sich ihnen anzuschließen. In den darauf folgenden Tagen erhält die Widerstandsbewegung weitere Unterstützung, insbesondere durch ein Bataillon aus Ploërmel-Josselin und dann von Oberst Bourgoin. Kurz darauf folgen nahezu 50 Männer und wenig später weitere 150. Britische Flugzeuge tragen zur wichtigen Nachschubversorgung bei (700 Container in der Nacht vom 13. auf den 14. Juni).
Während Oberst Bourgoin sich für die Fortführung der Guerilla-Operationen entscheidet und sämtliche geordnete Kämpfe vermeidet, senden die Deutschen 6 Regimente der so genannten Osteinheiten aus, um die von ihnen als “Terroristen” bezeichneten Widerstandskämpfer aufzuspüren. Diese Kämpfe sollten verhindern, dass sich die Widerstandskämpfer weiter zerstreuen können. Während der Kampfhandlungen stehen dem Stützpunkt in Nouette nahezu 2.400 Männer zur Verteidigung zur Verfügung, unter ihnen Fallschirmjäger und Widerstandskämpfer. Den Deutschen stehen für die Angriffe nahezu doppelt so viele Soldaten sowie bessere Waffen zur Verfügung.
Am Morgen des 18. Juni 1944 gelingen den Deutschen zwei erfolgreiche Angriffe. Nach mehrstündigen Kämpfen sind sie jedoch gezwungen, mit schweren Verlusten den Rückzug anzutreten. Nachdem weiterer Nachschub, insbesondere durch eine Division der Fallschirmjäger eingetroffen war, startet die Wehrmacht am Nachmittag einen dritten Angriff. Der feindliche Vorstoß führt zu heftigen Kämpfen, bei denen die Deutschen von britischen Flugzeugen unter Beschuss geraten. Dennoch gelingt es den Deutschen immer wieder, Nachschub bereitzustellen. Als die Farm im Wald von Joly vom Feind eingenommen wird, wird dieser durch einen Gegenangriff von der Seite wieder zurückgedrängt. Am Abend nimmt der Druck der Deutschen jedoch wieder zu. Die Kämpfe werden immer heftiger, woraufhin Oberst Bourgoin und Oberst Morice den Rückzug und die Zerstreuung der Widerstandsgruppen befehlen. Nachdem der restliche Sprengstoff und die Munition in Sicherheit gebracht wurden, wird der Stützpunkt langsam evakuiert. Am nächstem Morgen, dem 19. Juni, wird der Stützpunkt vollkommen von den Deutschen eingenommen.

Rückblick über die 40er Jahre. Quelle: Ouest France

Die Widerstandskämpfer in Saint-Marcel und den umliegenden Gemeinden werden vertrieben, die Bevölkerung wird terrorisiert. Die Brutalität nimmt immer größere Ausmaße an. Massenexekutionen von Widerstandskämpfern und Fallschirmjägern sowie von Zivilisten sind an der Tagesordnung. Am 25. und 27 Juni gehen die Schlösser in Sainte-Geneviève und Hardys-Béhélec in Flammen auf und alles, was von den Stützpunkten und der Burg von Saint Marcel noch übrig ist, wird zerstört.

Deutsche Truppen befragen die Einwohner eines bretonischen Dorfs, die von ihnen für Terroristen gehalten werden. Juli 1944. Quelle: Staatliche Archive Deutschland

Während dieser Kämpfe sterben rund 30 Franzosen, nahezu 60 werden verletzt und ca. 15 in Gefangenschaft genommen. Die Verluste der Deutschen werden auf 300 bis 500 Soldaten geschätzt, die im Rahmen dieser Kämpfe ihr Leben gelassen haben.
Nach ihrer Zerstreuung setzen die Fallschirmjäger und Widerstandskämpfer ihre Mission erneut fort: Beeinträchtigung und Zerschlagung der organisierten Strukturen der hinteren Feindeslinien.
Erst im August gelingt es dank dem amerikanischen Vormarsch in Avranches in Richtung Osten und Süden, dass die gesamte Bretagne von den Widerstandskämpfern kontrolliert wird. Zu diesem Zeitpunkt kämpfen nahezu 80.000 Männer an der Seite der Amerikaner, denen es Ende August gelingt, die Südküste der Bretagne bis Quiberon und Crozon zu befreien. Die Deutschen sind gezwungen, sich in die Häfen von Brest, Lorient und Saint-Nazaire zurückzuziehen.
Quelle: MINDEF/SGA/DMPA