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Die Zukunft der nationalen Tage

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Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Gründung des Conseil national de la Résistance (Nationaler Widerstandsrat), 27. Mai 2018. Daniel Cordier, Compagnon de la Libération (Kamerad der Befreiung) und Sekretär von Jean Moulin, umgeben von Schülern. © DR

Seit 1922 gibt es in Frankreich nicht weniger als elf nationale Tage, die durch Rechtsvorschriften und Verordnungen vorgeschrieben wurden und den heutigen Gedenkkalender des Verteidigungsministeriums prägen. Eine Situation, die manchmal von der breiten Öffentlichkeit hinterfragt wird. Die Herausforderung für die Gedenkfeiern der Zukunft liegt jedoch nicht so sehr in der Zahl der Feiern, als in der Erneuerung der Botschaften, die dabei verbreitet werden.

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Gibt es eine französische Besonderheit im Bereich der Gedenkveranstaltungen? Die von der Direktion für Kulturerbe, Erinnerung und Archive (DPMA) des Verteidigungsministeriums organisierten nationalen Tage ermöglichen heute das Gedenken an drei bestimmten Arten von Ereignissen: das Ende der Konflikte (Sieg oder Niederlage), den Sieg der Nation angesichts einer „existentiellen“ Gefahr (den Sieg des Rechtes im Ersten Weltkrieg jeden 11. November, den Sieg über die Nazibarbarei am 8. Mai), das Martyrium oder Opfer (Tag der Deportation am letzten Sonntag im April, Ehrung der Harkis am 25. September).

Die Einführung eines einzigen Gedenktages würde die Identifikation mit diesen drei Zielen erschweren. Darüber hinaus hat auch der Großteil unserer ausländischen Partner nicht nur einen Tag (6 im Vereinigten Königreich, 3 in Italien, den Vereinigten Staaten, in Deutschland und in Russland). Vor allem würde das Verschwinden dieser spezifischen nationalen Tage von der Militärszene schlecht aufgenommen werden, wenn dies nicht mit jenen beraten werden würde, die eine Änderung des Gedenkkalenders planen.

Die Herausforderung der nächsten Jahre liegt vielmehr in der Erneuerung der Gedenkpolitik des Verteidigungsministeriums. Auch wenn das öffentliche Interesse für die Zeiten, für die es keine direkten Zeugen mehr gibt, anlässlich der Hundertjahrfeier des Ersten Weltkriegs offen zu Tage getreten ist, schreiben die von der Gedenkpolitik im Weißbuch über die Verteidigung und nationale Sicherheit von 2013 festgelegten Ziele eine Erneuerung der Gedenkthemen vor, um folgende Aspekte aufzuwerten: die Vermittlung der Werte der Republik, die Anerkennung der Aufopferungsbereitschaft, den Wert des Einsatzes sowie die nationale Einheit, zu der noch das gemeinsame Gedenken zwischen Frankreich und anderen Ländern hinzugefügt werden soll.

Darüber hinaus führt das Verschwinden der Zeugen der zeitgenössischen Konflikte zunehmend zu einem Gedenkvakuum, das unbedingt gefüllt werden muss, indem man bei den jungen Generationen das Interesse weckt, „Vermittler des Gedenkens“ zu werden. Daher ist es unerlässlich, neue Wege des Gedenkens zu beschreiten, wie zum Beispiel im digitalen Bereich, in dem die Jugend heute nach Informationen sucht. Genau das geschah in der Zeit des Lockdowns, als die DPMA das Angebot auf seiner Website „Chemins de mémoire“ mit Lehrmaterial erweitert und in Zusammenarbeit mit der nationalen Bildung zu Beiträgen rund um das Jahr 1940 aufgerufen hat.

In den kommenden Jahren werden die ehemaligen Kämpfer der Auslandsoperationen einen immer wichtigeren Platz einnehmen, da sie Akteure oder Zeugen von Konflikten sind, die in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt sind. Der Zusammenhang zwischen Soldaten der Vergangenheit, die in oft schrecklichen Massenkonflikten eingesetzt waren, und „Friedenssicherungskräften“ oder Soldaten, die gegen Terrorgruppen kämpfen, ist alles andere als offensichtlich. Initiativen zugunsten dieser Kämpfer der „4. Kriegsgeneration“, deren Mitglieder im Laufe der Jahre die Hauptakteure der Gedenkfeiern sein werden, sollten unterstützt werden.

Diese müssen auch von einer stärkeren historischen Information begleitet werden. Die großen Gedenktermine sollen Anlass für wissenschaftliche (Kolloquien, Diskussionen, Runde Tische usw.) und digitale Formate sein. Dies ist 2020 mit dem Start von zwei Webserien der Fall, die einerseits dem Krieg von 1870 und den Kämpfen des Jahres 1940 gewidmet sind.

Die jüngste Zeit hat die Anpassungsfähigkeit der DPMA angesichts der Gesundheitskrise bei den Feierlichkeiten am 19. März, 24. April, 8. Mai, 8. Juni oder auch am 18. Juni gezeigt, die in eingeschränktem Format abgehalten und durch das digitale Angebot der Website „Chemins de mémoire“ unterstützt wurden. Der Festakt am 19. Juli, dem nationalen Tag zum Gedenken an die Razzia vom Vel d’Hiv und zur Ehrung der Gerechten von Frankreich, wurde erstmals live auf dem Youtube-Kanal des Ministeriums über die Websites und sozialen Netzwerke übertragen.


Es liegt daher am Staat, seine Gedenkpolitik beizubehalten, unabhängig von den jeweiligen Zusammenhängen. Dabei ist die Ausgewogenheit der einzelnen Gedenkbereiche sicherzustellen, das heißt, dass sie gemäß dem Grundsatz der Gleichheit, einem republikanischen Wert schlechthin, gerecht in Erinnerung gerufen und vermittelt werden.

 

Die Redaktion
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Fokus auf den Algerienkrieg – Ein Konflikt: 3 Daten

 

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Nationale Gedenkfeier vom 5. Dezember 2016, Denkmal am Quai Branly, Paris. © A.Thomas-Trophime/DICOD

 

Die Besonderheit am Algerienkrieg besteht darin, dass er die Gesellschaft entsprechend den damaligen ideologischen Brüchen immer noch spaltet. Drei Daten für einen einzigen Krieg zeigen die Komplexität des Gedenkens und die Wahrnehmung des Algerienkriegs in der heutigen französischen Bevölkerung auf.

25. September

Nach einem ersten Festakt unter Vorsitz von Präsident Jacques Chirac am 25. September 2001 im Invalidendom wurde dieser Tag am 31. März 2003 durch ein Dekret eingeführt. Er würdigt die Opfer, die von den Harkis und anderen Mitgliedern von Hilfsformationen im Dienste Frankreichs erbracht wurden. Dabei ging es darum, dem tatsächlichen Einsatz vieler französischer Muslime und ihrer Familien für ihr Land Substanz zu verleihen. Denn sie wurden doppelt Opfer der Erlangung der Unabhängigkeit Algeriens: durch das Schicksal, das sie in Algerien (Vergeltungsmaßnahmen, Folterungen, Morde, Verschwinden, Diskriminierungen) und in Frankreich (offizielle Verweigerung ihrer Aufnahme, Unsicherheit, Verbannung) erwartete.

5. Dezember

Der 5. Dezember, der mit dem Dekret Nr. 2003-925 vom 26. September 2003 als nationaler Tag zu Ehren der im Algerien und bei den Kämpfen in Marokko und Tunesien „für Frankreich Gefallenen“ eingeführt wurde, entspricht dem Datum der Einweihung des Denkmals am Quai Branly im Jahre 2002. Die Wahl dieses Datums, das von der Favier-Kommission vorgeschlagen wurde, könnte als willkürlich angesehen werden, jedoch wurde dadurch die Wahl eines möglicherweise von einer der Seiten kritisierbaren Ereignisses vermieden.

19. März

Das Gesetz Nr. 2012-1361 vom 6. Dezember 2012, das auf einen von der Nationalversammlung beschlossenen Entwurf aus dem Jahr 2002 zurückgeht, der vorsichtshalber auf Eis gelegt wurde, erklärt den 19. März zum nationalen Tag der Erinnerung und Besinnung im Gedenken an die zivilen und militärischen Opfer. Der 19. März 1962 ist der Tag, an dem die Verträge von Evian zur Anwendung kamen, nachdem sie am Vortag unterzeichnet wurden. Sie verkündeten den Waffenstillstand, jedoch folgte auch eine Reihe tragischer Ereignisse, insbesondere für die Harkis und die Heimkehrer, wie das Massaker von Oran am 5. Juli. Für den Großteil der Franzosen im Mutterland bedeutet er das Ende der französischen Militäroperationen und damit die Heimkehr der Einberufenen. Hingegen ist der 19. März für die Franzosen Algeriens nicht das Enddatum des Krieges. Daher gibt es immer noch drei Gedenkdaten für den Algerienkrieg. Aber es geht nicht darum, diesen Konflikt durch die Fortsetzung des Gedenkkrieges zu verlängern. Denn wie der 11. November, an dem alle für Frankreich Gefallenen geehrt werden, bilden die Gedenkdaten einen Moment der Besinnung und Einheit rund um die Erinnerung. Derzeit hat das Gedenken an den Algerienkrieg viele Gesichter. Es ist wichtig, an seiner friedlichen Einbindung in die französische Geschichte zu arbeiten.

 

Stiftung zur Erinnerung an den Algerienkrieg sowie die Kämpfe in Marokko und Tunesien